Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
kennst.
Und?
Deren Eltern von Terroristen getötet wurden und ihr Sohn auch, jedenfalls glaubt sie das. Meinst du nicht, sie würde dich an die Lorder verraten, wenn sie dich auch für eine Terroristin hielte?
Innerlich winde ich mich. Und wenn doch … Nein. Das glaube ich einfach nicht.
Dennoch habe ich Grund zur Freude: Ben ist am Leben! Wirklich. Nicht nur Aiden hat ihn gesehen, Coulson hat es bestätigt.
Natürlich könnte er lügen, aber warum sollte er sich die Mühe machen? Es hätte doch vollkommen gereicht, mich mit Cam unter Druck zu setzen. Außerdem ahnt Coulson nicht, dass ich Ben mit Aidens Hilfe ausfindig machen kann. Ich muss Ben nur aufstöbern und vor Coulson warnen. Vielleicht können wir zusammen abhauen, irgendwohin, wo uns die Lorder nicht finden.
Wo soll das sein? Auf dem Mond?
Ich schiebe die Zweifel beiseite und halte an dieser winzigen Hoffnung fest.
Denn die Hoffnung ist alles, was mir bleibt.
Als wir unsere Straße erreichen, steigt Cam vor seinem Haus einfach ab und schiebt sein Rad die Auffahrt hoch.
»Warte doch mal«, stoppe ich ihn. Er bleibt stehen und dreht sich um. »Was willst du deiner Tante und deinem Onkel erzählen?«
»Ich bin vom Rad gefallen. Und du?«
»Ich werde gar nichts sagen.«
Er wendet sich zum Gehen.
Tränen steigen mir in die Augen. Er ist doch jetzt mein einziger Freund, abgesehen von Amy, Mum und Jazz. Und unter ihnen befindet sich auch noch ein Verräter.
»Tut mir leid, Cam«, rufe ich leise.
Noch einmal dreht er sich um und nickt. »Ich weiß«, sagte er und verschwindet im Haus.
Um mich zu beruhigen, atme ich einmal tief durch, dann stelle ich das Fahrrad in unseren Schuppen und schließe die Haustür auf.
»Hallo?«, rufe ich. Doch es kommt keine Antwort. Alles ist still.
Ich springe schnell unter die Dusche. Zumindest sehe ich dann wieder wie ein normaler Mensch aus, wenn die anderen nach Hause kommen. Mal schauen, wer überrascht wirkt, wenn er mich sieht.
Beim Abendessen beobachte ich die anderen genau. Jazz ist auch wieder mit von der Partie, also sind die Verdächtigen vollzählig versammelt. Aber sie benehmen sich ganz normal, entweder kann jemand sehr gut schauspielern oder ich irre mich. Aber wer könnte sonst dahinterstecken? Einer von ihnen muss es sein.
Es ist ein elendiger Morgen mit grauem Nieselregen. Dass mir von Kopf bis Fuß alles wehtut, macht es auch nicht besser. Es hat mir ziemlich zugesetzt, von den Lordern durch die Mangel gedreht zu werden und Drogen eingeflößt zu bekommen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich mit vollem Körpereinsatz gewehrt habe. Einerseits freut es mich, dem einen Lorder gehörig ins Gesicht getreten zu haben, andererseits erschreckt es mich auch.
Schlaff hänge ich am Frühstückstisch und rühre in meinem Müsli herum, ohne viel davon zu essen.
»Was ist heute Morgen bloß mit dir los?«, fragt Mum.
»Vielleicht hat sie die ganze Nacht schmachtend wach gelegen und an Cameron gedacht«, sagt Amy grinsend.
Ich verziehe das Gesicht. »Da täuschst du dich. Wir sind bloß Freunde.« Zumindest waren wir das. Ich seufze. Hoffentlich spricht er überhaupt noch mit mir.
»Siehst du?« Amy lacht. Und Mum lächelt, als würde sie Amys Erklärung Glauben schenken. Wie können die nur so was denken, wo Ben doch gerade erst verschwunden ist? Sofort bekomme ich Schmetterlinge im Bauch. Werden wir uns bald wiedersehen, Ben?
Sollen die beiden doch denken, was sie wollen! Besser so, als wenn sie wüssten, was mir wirklich den Schlaf raubt. Es sei denn, eine oder beide haben mich an die Lorder verraten.
Doch während ich ihnen heute Morgen so zusehe und sie reden höre, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie mit den Ereignissen gestern etwas zu tun haben.
Und was ist mit Nico? Wenn ich dem von Coulson erzähle, hat er bestimmt einen Rat für mich. Nur, was wird Nico von mir denken, wenn er erfährt, dass ich die Zeichnungen nachlässig herumliegen lassen habe? Angeblich beobachtet Coulson mich ja schon seit Längerem. Vielleicht hat mein Schnitzer auch geholfen, uns eine bessere Position verschafft: Immerhin wissen wir jetzt, dass ich überwacht werde. Ich fürchte nur, Nico wird das anders sehen.
Als ich morgens von einem Klassenraum zum nächsten gehe, begegne ich Nico im Flur. Er legt den Kopf leicht schief und marschiert in sein Büro. Ich soll ihm folgen.
Ob er schon von gestern gehört hat? Angst und Unentschlossenheit lähmen mich.
Besser, ich weiß
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