Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)

dir einen Deal vor: Wir lassen dich und Cameron heute frei. Fürs Erste hat er nichts zu befürchten, genau wie dein Freund Ben. Im Moment jedenfalls. Du findest heraus, was die RT vorhaben und wer zu ihnen gehört, und erstattest mir Bericht. Wenn du dich geschickt anstellst und so deine Loyalität gegenüber der Regierung unter Beweis stellst, bringen wir dich zu Ben. Ihr könnt noch einmal ganz von vorn anfangen. Und ich mache dir noch einen Vorschlag: Wir nehmen dir sogar das Levo ab.«
    Er sieht mich ruhig an. Die Uhr tickt, die Sekunden verstreichen und ich bin wie gelähmt. Taub.
    »Was meinst du? Willst du das für uns tun?«
    Darauf gibt es nur eine einzige Antwort und Coulson weiß das auch, das verrät sein arroganter Blick. Nur eine einzige Möglichkeit, Ben zu retten. Eine einzige Möglichkeit, Cam zu retten. Und mich.
    »Ja.«
    Kurz darauf werden Cam und ich an der Straße bei unseren Rädern rausgeworfen.
    »Dein Gesicht sieht ja schlimm aus«, bemerke ich und berühre seine geschwollene Wange, auf der ein Schnitt prangt.
    »Das wird schon wieder.« Er sieht mich an. Cam, der mich verteidigt hat, obgleich es aussichtslos war. Er hat sich meinetwegen verletzt und in Gefahr gebracht.
    »Es tut mir so leid«, will ich sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Nun, da alles vorbei ist und die Lorder fort sind, überkommt mich grenzenlose Angst. Ich zittere am ganzen Leib.
    Cam nimmt meine Hand und zieht mich an sich. Wir stehen einfach nur stumm da. Ich gebe mir Mühe, langsam zu atmen, um mich wieder in den Griff zu bekommen. Aber in seinen Armen, die mich warm umschließen, fällt es mir noch schwerer. Ich löse mich von ihm.
    »Also«, meint er, »verrätst du mir jetzt endlich, was die Lorder von dir wollen?«
    Eigentlich hätte Cam die Wahrheit verdient. Doch ich darf ihm nichts verraten. Er wäre in noch größerer Gefahr, wenn er von meiner Abmachung mit Coulson wüsste. Und von Free UK.
    Ich schüttele den Kopf. »Da gibt es nichts groß zu sagen. Die Lorder haben geglaubt, ich wäre in was Illegales verwickelt. Aber dann haben sie ihren Fehler erkannt und uns freigelassen.«
    »Und das soll ich dir abkaufen?«, fragt er gekränkt.
    Innerlich winde ich mich. Dennoch verrate ich ihm nichts, wo doch alles Wissen gefährlich ist. Je weniger er weiß, desto besser für ihn.
    »Es gibt nichts, was ich dir erzählen kann. Sorry.«
    Cameron sieht nach, ob mein Fahrrad, mit dem ich in der Hecke gelandet bin, den Sturz unbeschadet überlebt hat, und meidet dabei meinen Blick. Ich würde ihm ja gerne alles erzählen, schon allein, um seine abweisende Miene nicht länger ertragen zu müssen. Damit ich mein Wissen endlich mal mit jemandem teilen kann. Damit es mir in seinen Armen besser geht, wenn auch nur für einen kurzen Moment.
    Davon geht es dir auch nicht besser. Du darfst ihm nicht vertrauen.
    Das ist doch der reinste Wahnsinn! Die Lorder haben Cam bloß mitgeschleift, weil er mich beschützen wollte. Hat er damit nicht seine Loyalität unter Beweis gestellt?
    Nein. Trau keinem, solange du nicht weißt, wer dich verraten hat.
    Auf dem langen Rückweg denke ich unentwegt darüber nach. Die Sonne sinkt immer tiefer am Horizont, es ist schon später Nachmittag. Eigentlich hätten wir bereits viel früher zu Hause sein sollen.
    Wer hat den Lordern nur von meiner Krankenhauszeichnung erzählt?
    Amy ist die Einzige, die das Bild gesehen hat. Aber sie würde mich doch nicht … Nie im Leben! Außerdem ergibt das alles keinen Sinn. Wenn sie wirklich vorgehabt hätte, mich zu denunzieren, warum hat sie mich dann dazu gebracht, die Zeichnung zu vernichten? Sie hätte ja nicht einmal zugeben müssen, dass sie sie gesehen hat.
    Mhmm … und wenn sie unbedacht jemandem davon erzählt hat und derjenige es dann weitergetragen hat? Möglich wäre es. Aber es ist doch erst einen Tag her. Heute war keine Schule, die Einzigen, die Amy also seither gesehen hat, sind Mum und Jazz.
    Also muss es einer von den beiden gewesen sein.
    Nein! Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wer sollte sonst dahinterstecken?
    Darauf habe ich keine Antwort. Es bleiben nur Amy, Jazz oder Mum. Ob nun unwissentlich oder mit Absicht, einer von den dreien muss mich verpfiffen haben.
    Es gibt nur wenige Menschen, denen ich traue und die mir etwas bedeuten, nun hat mich auch noch einer von ihnen verraten. Ich weiß nicht, wer, vorstellen kann ich es mir bei keinem. Besonders nicht bei Mum.
    Eine Mutter, die du seit knapp zwei Monaten