Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
dieser Traum würde mich seit dem Slating im Krankenhaus verfolgen. Das geht aber gar nicht! Jedenfalls nicht, wenn die heutige Version auch nur ein Fünkchen Wahrheit enthält. Wenn Katran dabei war, muss ich diesen Albtraum schon gehabt haben, als ich noch zu den Eulen gehörte. Bevor die Lorder mich geschnappt haben. Bevor ich geslated wurde.
Aber Katran, der mich tröstend im Arm hält? Da spielt mir mein Unterbewusstsein wohl einen Streich. So kann es sich nie und nimmer abgespielt haben. Diese mitfühlende Seite an Katran ist mir gänzlich unbekannt, deshalb frage ich mich, ob der restliche Traum auch ein Hirngespinst ist. Aber das kann nicht stimmen, denn lange hat sich nichts mehr so echt angefühlt.
Und das ist noch nicht alles, hinter dem Traum steckt noch mehr. Beinahe kann ich die Hand danach ausstrecken, es mit den Fingerspitzen berühren, aber es entschwindet mir.
Obgleich mich diese Gedächtnislücken oft wahnsinnig machen, offenbart sich in ihnen auch eine bittere Wahrheit: Manches will ich gar nicht wissen.
»Mitkommen.«
Nur ein geflüstertes Wort, mehr nicht. Den Lorder kenne ich nicht, er geht voraus und dreht sich nicht um. Dass ich mich weigern könnte, ihm zu folgen, fällt ihm nicht ein. Kurz überlege ich, ob ich davonlaufen soll, aber was würde das schon bringen? Ich bleibe etwas zurück, damit ich ihn noch gerade so im Flur zwischen all den Schülern im Blick habe. Aber das ist auch nicht weiter schwer, denn die Schüler machen einen Bogen um ihn und ich muss im Prinzip nur der Lücke in der Menge folgen.
Im Verwaltungsgebäude verschwindet der Lorder in einem Raum und lässt die Tür einen Spaltbreit offen stehen. Schnell sehe ich mich nach allen Seiten um, eigentlich sollte Nico um diese Zeit im Naturwissenschaftstrakt sein, aber man kann ja nie wissen. Doch nirgends ist eine Spur von ihm oder anderen bekannten Gesichtern zu sehen.
Mir fällt auf, dass die Tür sich von allen anderen in diesem Trakt unterscheidet. Weder ein Namensschild noch eine Nummer klebt daran.
Ich klopfe und trete dann ein.
Der Lorder, dem ich gefolgt bin, steht stramm neben einem kleinen Schreibtisch, an dem Coulson sitzt.
»Nimm Platz«, sagt er. Ihm gegenüber befindet sich nur ein Stuhl, eigentlich viel zu nah für meinen Geschmack, trotzdem setze ich mich. »Rede.«
Auf einmal bekomme ich eine ganz trockene Kehle. »Schönes Büro«, sage ich.
Darauf geht er gar nicht ein, doch im Raum wird es noch um einige Grad kälter, also stecke ich wohl in Schwierigkeiten. Die Ruhe vor dem Sturm.
Beim Lügen bleibt man am besten möglichst nahe bei der Wahrheit . »Es gibt wohl Pläne, aber Genaueres weiß ich nicht.«
Coulson neigt den Kopf leicht, sein Gesicht ist ausdruckslos wie immer. Er wägt ab.
»Das reicht mir nicht«, sagt er schließlich. »Was sind das für Pläne?«
Vor Angst ist mein Gehirn wie gelähmt. Keine Ahnung, was ich jetzt sagen oder nicht sagen soll, und je länger er mich ansieht, desto schwerer fällt mir das Denken. Bis ich Ben vor Coulson gewarnt habe, muss Coulson glauben, dass ich kooperiere. Anders geht es nicht. Irgendetwas muss ich jetzt erzählen.
»Eine Reihe von Angriffen ist geplant. Mehr weiß ich auch nicht. Wo oder wann sie losschlagen wollen, hat mir keiner gesagt.« Hastig stoße ich die Worte hervor, innerlich gibt es mir einen Stich. Nico ist an den Plänen beteiligt. Keinesfalls darf ich etwas verraten, das die Lorder auf seine Spur bringt.
Coulson starrt mich an. Die Uhr an der Wand hinter mir tickt laut, die Zeit scheint viel zu langsam zu vergehen, die Sekunden dehnen sich über die Maßen. Mit den Augen durchbohrt er mich, sieht die Lücken in meiner Erzählung, das, was ich ausgelassen habe.
»Gerüchteweise haben wir davon gehört. Es gibt … Geständnisse, die Ähnliches andeuten. Was hast du noch?«
»Mehr weiß ich wirklich nicht.« Mir bleiben die Worte fast im Hals stecken.
Es klingelt zur nächsten Stunde und ich springe auf.
Coulson weiß, dass ich etwas zurückhalte und ihm nicht die volle Wahrheit sage, das verrät sein Blick.
Alle Farbe weicht aus meinem Gesicht.
Er lächelt, aber davon geht es mir auch nicht besser. »Nun geh, sonst kommst du noch zu spät zu Mathe.«
Ich stürze förmlich zur Tür. Coulson kennt sogar meinen Stundenplan.
»Kyla?«
Ich bleibe stehen.
»Heute hast du noch mal Glück gehabt. Ich bin kein sehr geduldiger Mensch. Beim nächsten Mal will ich die ganze Geschichte hören. Und jetzt ab mit dir!«, bellt er
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