Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
Fratze verzerrt. Einmal bäumt sie sich noch auf, alle Muskeln verkrampfen sich, bevor sie schlaff in meinen Armen hängt.
Tot.
Tori blickt von dem Arzt zu dem Messer in ihrer Hand. »Darf ich?«, fragt sie Katran. »Schön langsam.«
Katran schüttelt den Kopf und nimmt dem Arzt die zweite Spritze aus der Hand. »Nein. Lass ihn von seiner eigenen Medizin kosten.« Er reicht Tori die Spritze.
Als dem Arzt klar wird, was ihm blüht, wehrt er sich, doch Katran hält ihn fest. »Das könnt ihr doch nicht machen. Das ist Mord.«
»Und was Sie hier die ganze Zeit machen? Was ist das denn?«, fragt Tori.
»Es gibt nicht umsonst Gesetze. Was wäre wohl, wenn dieses Mädchen das Kind ausgetragen hätte? Entweder wäre sie bei der Geburt an den Krämpfen gestorben oder wir hätten ihr Medikamente gegeben, dann hätte es das Kind nicht überlebt. Mit der Schwangerschaft hat sie ihren Vertrag gebrochen. Und laut Gesetz haben Slater über 16 damit ihr Recht auf eine zweite Chance verwirkt. So steht es im Vertrag!«
»Uns bleibt doch nichts anderes übrig, als den Vertrag zu unterschreiben!«, brülle ich und halte das Levo hoch. Beim Anblick meines Levos gehen ihm fast die Augen über. »Sie hätten dem Mädchen das Levo abnehmen können, dann hätte das Kind überlebt, beide hätten überlebt!«
Er schüttelt den Kopf. »Und dann? Jedes geslatete Mädchen im Land würde schwanger werden, nur um ihrer Strafe zu entgehen.«
Mit der Spritze in der Hand lächelt Tori den Arzt an. »So. Die volle Dosis garantiert einen schnellen Tod. Wie ist es denn mit der halben Dosis?«
Das entsetzte Gesicht des Arztes ist Antwort genug.
Tori macht einen Schritt auf ihn zu, aber ich kann nicht bleiben, um mir das mit anzusehen. Alles dreht sich vor meinen Augen, verschwimmt zu einer grauen Suppe. Ich stolpere aus dem Haus, vorbei an Leichen. Und obwohl ich mir große Mühe gebe, nicht hinzuschauen, nehme ich sie doch aus den Augenwinkeln wahr. Blut. Tod. Ich kann nicht mehr.
Ich halte mich an einem Baum fest und übergebe mich. Aus dem Haus dringen Schreie herüber.
Ich versuche, einen klaren Kopf zu bekommen, um das, was ich gerade erfahren habe, zu verarbeiten. Ein Levo würde einen Slater während der Geburt töten, die Medikamente, die das verhindern könnten, würden wiederum dem ungeborenen Kind schaden. Muss ich deshalb Amy und Jazz immer begleiten? Sollte ich deshalb nie mit Ben allein sein? Das habe ich nicht gewusst. Ob das Mädchen Bescheid wusste?
Die Lorder haben sie geslatet, und ganz gleich, was wir hätten tun können, jetzt ist sie tot. Sie sah älter aus als Amy. Ob sie bald 21 und damit frei gewesen wäre? Ich öffne die Hand. Dort liegt ein Ring, den ich ihr kurz vor ihrem Tod vom Finger gezogen habe, ein schlichter Silberring. Auf der Innenseite ist etwas eingraviert: Emily & David 4ever . War David der Slater, der bei ihr war? Dann sind sie jetzt für immer vereint. Fest schließe ich die Hand um den Ring.
Emily . Dich werde ich nie vergessen. Genauso wenig wie diesen Augenblick.
Mit Holly sind drei von uns tot, dazu kommen noch die beiden Slater. Außerdem fünf Lorder und der Arzt. Eine Liquidierungsstelle weniger; bevor wir gehen, steckt Katran die Anlage in Brand. Paarweise verschwinden wir im Wald, um zu unserem Treffpunkt zu rennen, ich bin mit Katran zusammen.
»Du Idiot!«, zischt er mir beim Laufen zu. »Was hast du dir nur dabei gedacht, dich mit einem Messer auf diesen Lorder zu stürzen? Du hattest Anweisung, dich rauszuhalten.«
»Du hast mir gesagt, ich soll bleiben, wo ich bin! Das habe ich auch getan. Er ist direkt auf mich zugelaufen.«
Verärgert schüttelt er den Kopf. »Wenn ich nicht in Nicos Auftrag den Babysitter für dich spielen müsste, hätten wir vielleicht nicht drei Leute verloren.«
»Was? Du warst mein Babysitter?«
»Hast du doch gehört. Ich weiß, dass du helfen willst, aber du bist nur im Weg. Du bist eine Gefahr für alle.«
»Was ist mit Holly?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Sie hätte dem Lorder nicht allein gegenübertreten sollen.«
»Sie hat sich freiwillig gemeldet. Die Lorder aus dem Haus zu locken, war die beste Strategie.« Das Unbehagen ist ihm anzusehen.
Nachdem sie die Regeln gebrochen hatte, wollte sie Nico unbedingt ihre Loyalität beweisen. Ein für alle Mal.
Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück. Was ist eigentlich passiert? Ich wollte den Lorder töten. Das Messer hatte ich in der Hand und die Gelegenheit war günstig. Aber die
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