Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
haben?
Aus der Fahrerkabine steigen zwei Lorder und beraten sich mit den anderen. Sie werfen immer wieder einen Blick auf Hollys Leiche. Dann öffnet einer der Lorder die Schiebetür des Transporters.
Ein Junge springt heraus, prügelt auf den Lorder ein, das Gesicht kalkweiß. Bevor er auf dem Boden zusammenbricht, höre ich sein Levo brummen, er ist auch ein Slater. Dann wird ein Mädchen aus dem Wagen gezerrt, sie beugt sich über den Jungen.
»Tu doch was!«, zische ich. In Katrans Gesicht spiegelt sich Unentschlossenheit. Ich greife nach meinem Messer.
»Du bleibst hier«, keucht er. »Denk an dein Versprechen!« Über sein Kom gibt Katran den Angriffsbefehl. Daraufhin stürmen alle aus ihren Verstecken.
Chaos entsteht. Geschrei. Es hagelt Schläge. Am liebsten würde ich mich ins Gefecht stürzen und es den Lordern heimzahlen. Doch in mir gibt es auch eine andere Seite, die ängstlich die Augen zusammenkneift. Wozu bin ich nütze? Warum haben sie mich überhaupt mitgenommen, wenn ich doch nicht helfen kann? Ich zwinge mich hinzuschauen.
Ein Lorder befreit sich und rast in den Wald, direkt auf mein Versteck zu. Ich gehe in Angriffsstellung, trete ihm die Beine weg. Ihm fehlt jetzt schon die Puste. Mit gezücktem Messer stehe ich da, die Sekunden verstreichen, doch ich steche nicht zu. Schließlich schlägt der Lorder mir das Messer aus der Hand und zieht triumphierend sein eigenes hervor.
Auf einmal kracht es ganz gewaltig, Katran hat ihm von hinten den Schädel eingetreten. Der Lorder geht zu Boden. Er regt sich nicht mehr, blutet am Kopf. Katran stürmt zurück zum Haus.
Unsicher komme ich auf die Beine. Das Haar des Lorders ist rot von seinem Blut, überall; in meinen Ohren rauscht es laut. Schwankend wende ich mich ab. Als später Entwarnung gegeben wird, kann ich nicht sagen, wie lange ich abseits im Wald gestanden habe, unfähig, mich zu rühren oder die Augen zu öffnen. Als wäre ich in Trance verfallen. In eine blutrote Trance.
Dennoch dringen die Schreie eines Mädchens zu mir durch, sie hört gar nicht mehr auf. Das Mädchen, das geslated wurde? Das Summen ihres Levos dringt mir durch Mark und Bein.
Sie braucht Hilfe.
Mühsam kämpfe ich mich durch die Nebelschwaden, setze einen Fuß vor den anderen. Richte den Blick starr auf das Mädchen und nicht auf das, was auf dem Boden liegt. Ich lege den Arm um sie. »Ist ja gut. Schließ einfach die Augen. Sieh nicht hin, blende die Umgebung aus. Atme ganz tief durch. Du schaffst das.« Ihr Levo zeigt 3,4, das ist viel zu niedrig.
Das Mädchen schüttelt den Kopf, immer noch schaut sie sich mit großen Augen um. Unversehens taucht Tori neben uns auf. »Sie braucht Happy Juice, hier gibt es bestimmt irgendwo welchen!«, sagt sie und gemeinsam schleppen wir das Mädchen ins Haus.
Katran hat einen Arzt im Würgegriff.
»Wo ist der Happy Juice?«, will Tori von ihm wissen.
Katran lockert den Griff. Der Arzt zeigt röchelnd auf einen Schrank. Auf Katrans Befehl nimmt er eine Spritze aus einer Schublade und reicht sie Katran. »Sie darf die Spritze nicht bekommen, aber das kümmert euch sicher nicht.«
Katran wendet sich dem Mädchen zu, doch die wehrt ab. »Das geht nicht. Das Baby.« Ist sie etwa schwanger?
Ich sehe den Arzt an. »Das Kind würde es nicht überleben«, sagt er.
Wieder vibriert ihr Levo. »3,2«, sage ich.
Ungerührt zuckt der Arzt mit den Achseln. »Sie stirbt so oder so. Was macht das schon?«
Tori schlägt dem Arzt kräftig ins Gesicht. »Gib ihr die Spritze«, sagt sie zu Katran.
»Zwingen können wir sie nicht.« Katran kniet sich neben das Mädchen und nimmt ihre Hand. »Was sollen wir machen?«, fragt er. Ihre Augen sind weit aufgerissen, panisch wie ein waidwundes Reh.
»Nein. Keine Medikamente«, sagt sie mit klarer Stimme.
Katran reicht Tori die Spritze. »Sie will nicht.«
Dann geht es los. Ihr Wert fällt weiter. Die Krämpfe setzen ein. Vor Schmerzen schreiend, windet sie sich.
»Gib ihr endlich den Happy Juice! Wenn sie stirbt, ist das Baby auch tot!«, ruft Tori.
»Dafür ist es ohnehin zu spät und stärkere Medikamente haben wir hier nicht«, sagt der Arzt. »Das ist noch schmerzhafter als unsere Methode.« Er greift in den Schrank und holt aus einer anderen Schublade eine weitere Spritze. »Gebt ihr die volle Dosis, dann ist es schnell vorbei.«
»Sie hat gesagt, keine Medikamente!«, brüllt Katran.
Ich halte sie im Arm. Sie weiß nicht mehr, wo sie ist, ihr Gesicht hat sich zu einer schmerzhaften
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