Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
anderen ständig antun. Wir müssen sie aufhalten. Mein Entschluss steht fest.
»Ich stehe auf der richtigen Seite. Unserer Seite.«
»Gut. Bald gibt es noch weitere Aufgaben für dich zu erledigen.« Als er mich anlächelt und mir über die Wange streicht, wird mir ganz warm, und ich genieße seine Aufmerksamkeit.
»Ich bin dabei.«
»Daran habe ich auch nie gezweifelt«, sagt er, obwohl das nicht stimmt. »Was denn?« Sofort bemerkt er den leisen Zweifel, der sich in meinen Zügen spiegelt.
»Ach, nichts … aber irgendwie verstehe ich es nicht so ganz. Was willst du überhaupt mit mir? Wobei kann ich schon groß helfen?«
»Du gehörst zu uns«, sagt er. »Ganz gleich, was sie mit dir nach der Gefangennahme angestellt haben oder wen sie nach dem Slating aus dir gemacht haben, du wirst immer eine von uns bleiben. Und außerdem bist du mir wichtig.«
Mehr sagt er nicht, legt einfach den Arm um mich. Wärme durchflutet mich. Ich gehöre hierher, zu Free UK. Das ist meine Aufgabe. Aber worin genau besteht sie?
»Was ist geplant?«
»Das erfährst du schon bald, Rain.«
Er muss mir die Enttäuschung ansehen. »Du traust mir nicht«, sage ich.
»Doch.« Nico zögert. »Es wird eine Serie von Anschlägen auf wichtige Ziele in London und anderen Orten geben.«
»Und was war das heute? Eine Einzelaktion?«
Wieder lächelt er. »Sehr schlau, Rain. Wir wollen unsere Aktivitäten doch nicht plötzlich einstellen. Die sollen schön glauben, wir machen weiter wie bisher, und nicht auf die Idee kommen, wir könnten etwas Großes geplant haben. Und außerdem haben wir uns auch Einzelpersonen rausgepickt.«
Mein Magen rebelliert. »Mord?«
»Stell dich nicht so an.« Nicos Stimme ist kalt. »Du weißt doch, was diese Regierung euch angetan hat und immer noch antut. Dir, Tori. Vergiss nicht, was die mit ihr gemacht haben. In verschiedenen Sektoren werden gleichzeitig hochrangige Persönlichkeiten entführt. Damit sollten die gut beschäftigt sein.«
»Was ist mit dem Anschlag auf das Krankenhaus? Es ist mit hohen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet und wird schwer bewacht. Um das zu stürmen, müsste man schon …« Auf einmal fällt der Groschen. »Alles nur Ablenkung?«
»Genau. Wir lassen durchblicken, dass wir es aufs Krankenhaus abgesehen haben, und während sie sich dort in Bereitschaft bringen, werden wir anderswo sein.«
Anderswo … anderswo. »Armstrong-Gedächtnistag.« Es ist keine Frage, vielmehr eine Feststellung. »Auf Chequers. An diesem Tag wird dort alles seinen Anfang nehmen, nicht wahr?«
Nico schweigt.
»Meine Familie wird dort sein.«
»Wir sind deine Familie«, sagt er mit leicht vorwurfsvollem Unterton. Ich erröte.
»Das verstehst du ganz falsch, Nico. Mum steht nicht hinter den Lordern, jedenfalls nicht mehr.«
»Nein?«
»Nein. Die haben ihren Sohn geslated.« Sofort erzähle ich ihm von Robert, eigentlich hatte ich ja versprochen, mit niemandem darüber zu sprechen, aber Nico muss es einfach wissen. »Sie hat versucht herauszubekommen, was mit ihm geschehen ist; sie gehört nicht zu den Lordern.«
»Aber solange sie uns nicht unterstützt, interessieren mich ihre Ansichten nicht. Sie kann unsere Märtyrerin sein.« Mit der Hand hebt er mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. In meinen Augen muss sich das Entsetzen spiegeln. »Ich verstehe ja, wie schwer das für dich ist. Aber du musst jetzt stark sein. Wir müssen die Lorder an ihrem wunden Punkt treffen. Deine Mum lässt sich zur Symbolfigur der Regierung machen. Ganz gleich, wie sie dazu steht, sie ist ein Werkzeug der Lorder.«
Nun zerquetsche ich fast Emilys Ring.
Ich muss stark sein.
Nico küsst mich auf die Stirn. »Nun aber Schluss mit den neugierigen Fragen. Du musst jetzt schleunigst nach Hause, bevor man dich vermisst.«
»Warum kann ich denn nicht hierbleiben?« Mir rutscht die Frage einfach so heraus, aber mal ehrlich, warum eigentlich nicht? Denn hier fühle ich mich dazugehörig, bei Nico und selbst bei Katran. In diesem Moment glaube ich an ihr Vorhaben, unser Vorhaben.
Nico legt mir seine warmen Hände auf die Schultern. »Halt noch ein wenig durch, okay? Wir brauchen dich. Im Moment kannst du nicht aus deinem alten Leben verschwinden. Und jetzt geh, Rain«, sagt er und schiebt mich aus der Tür. Sogleich wird es kälter um mich.
Tori ist nirgends zu sehen, aber Katran ist zurück. Als ich im Wald verschwinde, folgt er mir.
»Ich brauche keinen Geleitschutz. Ich finde den Weg auch allein.«
Katran
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