Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
kalt ist, um zu laufen? Du solltest mal auf deine Mutter hören.«
Wildes Gehupe dröhnt in meinen Ohren. Doch der Verkehr liegt lahm. Der Bus steckt fest und ich schreie den Fahrer an: »Tun Sie doch endlich was! Öffnen Sie die Türen!« Denn ich weiß, was gleich passieren wird, doch der Fahrer kann mich nicht hören.
Ein Pfeifen, ein Blitz und ein Knall, so laut, dass es mir durch Mark und Bein geht und ich zu Boden geschleudert werde, aber es gibt kein Entkommen.
Die ganze Seite des Busses ist aufgerissen und zusammengequetscht.
Schreie. Blutige Hände schlagen gegen Fensterscheiben. Flammen lodern im hinteren Wagenteil.
Noch ein Pfiff. Ein Blitz. Eine Explosion.
Gegenüber dem Bus hängt ein Schild, halb aus den Angeln gerissen, wohl von den herumfliegenden Trümmern. Das Gebäude dahinter ist unversehrt.
Auf dem Schild steht: Lorderamt London.
Als ich die Augen endlich öffne, klopft mein Herz wie wild, ich zittere, stopfe mir die Decke in den Mund, um den Schrei zu ersticken.
Ist etwa ein Anschlag der Free UK fehlgeschlagen? Dr. Craigs Gesicht taucht plötzlich vor mir auf. Was hat der denn damit zu schaffen?
Katran würde alles tun, um es den Lordern heimzuzahlen. Und ich auch! Ich bin fest entschlossen, aber nicht zu so etwas. Dazu wäre ich nicht imstande.
Irgendetwas ist schiefgegangen, als es den Bus erwischt hat. Ein Unglück.
Bin ich dabei gewesen? Alles deutet darauf hin, die Geräuschkulisse, die Gerüche, jedes Detail hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt.
Nicht zum ersten Mal habe ich diesen Traum. Einmal saßen Robert und seine Freundin im Bus. Aber das ist doch schon über sechs Jahre her, da war ich erst zehn! Unmöglich, dass ich dabei war, das ergibt überhaupt keinen Sinn. Und zu Katran und den Eulen bin ich erst mit 14 gekommen.
Trotzdem muss ich in meiner Vergangenheit ein ähnliches Verbrechen begangen haben. Deshalb kann ich es mir so glasklar vorstellen. Denn damals bei den Eulen habe ich alles getan, um den Lordern eins auszuwischen. Ich bin stark gewesen.
Und ich werde es wieder sein.
Wenn ich will, kann ich alles.
Am nächsten Tag zieht Nico mich in der Mittagspause zu sich ins Büro und schließt die Tür hinter uns ab.
»Ich habe einen Auftrag für dich«, sagt er und hält einen kleinen Umschlag hoch. »Deponiere ihn an einem Ort, wo ihn niemand außer deiner Mutter findet. Aber nicht vor morgen Abend.«
Ich nehme den Umschlag entgegen.
»Willst du denn gar nicht wissen, was drinsteht?«
Zögerlich schüttele ich den Kopf. »Nein, du hattest nämlich recht.«
»Ich habe immer recht, aber was genau meinst du?« In seinem Gesicht zuckt ein Muskel.
»Na, was du über Mum gesagt hast, dass sie ein Werkzeug der Lorder ist. Selbst wenn sie privat anders denkt, solange sie sich von denen als Symbolfigur missbrauchen lässt, ist sie ein Angriffsziel.«
Liebevoll sieht er mich an. Lächelt. »Aber du hattest auch recht.«
»Ach ja?«
»Ja, indem du mir nämlich von ihrem Sohn erzählt hast. Vielleicht können wir Robert für unsere Zwecke nutzen. Und wenn wir sie dazu bringen könnten, sich öffentlich auf unsere Seite zu stellen, wäre das sogar noch besser.«
Ich blicke auf den Umschlag in meiner Hand. »Und das hier?«
»Ist gewissermaßen eine Einladung.«
Als ich den Umschlag in der Schultasche verstaue, entgeht mir nicht, dass er versiegelt ist.
Im Unterricht lasse ich es mir noch einmal durch den Kopf gehen. Nachdem ich nun fest entschlossen war, alles zu riskieren, hat Nico doch noch einen Ausweg für mich gefunden. Er hat mich gern und will mir nicht wehtun. Außerdem hat er mir geglaubt, dass Mum nicht mit den Lordern unter einer Decke steckt. Nun tüftelt er an einem neuen Plan.
Nach der Schule fahren Amy, Jazz und ich zu Mac, das hatten wir Anfang der Woche abgesprochen. Wie alles andere war mir auch das entfallen. Aiden wollte mich ja wegen Ben auf den neuesten Stand bringen.
Als Amy und Jazz zum Spaziergang aufbrechen, gehe ich zu Aiden ins Hinterzimmer.
Er sagt kein Wort, sondern sieht mich mit seinen leuchtend blauen Augen an, bis ich den Blick abwenden muss. »Was ist denn?«, frage ich.
»Ich hatte mir vorgenommen, dich nicht auf die Folter zu spannen und gleich mit allem rauszurücken. Aber jetzt, wo du vor mir stehst, fällt es mir schwer.«
»Ist Ben was zugestoßen?« Sofort gerate ich in Panik.
»Nein, jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Aber ich habe Nachforschungen über dieses Internat angestellt. Und das gibt es gar
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