Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
Vom Netzwerk:
Augen.
    »Und was ist mit dem Mädchen?«, fragt er. »Wie konnte sie entkommen? Die ist mit einem deiner Männer davongelaufen, nicht?«
    Meine Hand krallt sich in das Laken, ich kann das Zittern kaum noch unterdrücken.
    »Sag es mir.« Er beugt sich vor, spricht dicht an meinem Ohr. »Wie würdest so einen Verräter behandeln? Willst du dessen Angehörige auch besuchen? Nett zu seiner Frau sein?«
    Ich will es nicht aussprechen, aber es geschieht ohne mein Zutun. »Ich bringe ihn um.«
    Er lacht schallend. Streicht mir mit derselben Hand über die Haare, mit der er mich gerade noch gewürgt hat. »Schon besser«, sagt er. »Viel besser. Und nun steh auf. Wir haben vieles zu erledigen.«
    Und ich denke, ja, ich möchte sehr gerne Adam Kent erledigen.
    Ein Verräter wie er hat es nicht verdient weiterzuleben.

8
    Ich stehe so lange unter der Dusche, dass ich jegliches Zeitgefühl verliere.
    Das ist mir noch nie passiert.
    Alles ist aus dem Gleichgewicht, konfus. Ich zweifle meine Entscheidungen an, weiß nicht mehr, woran ich glauben soll, und bin zum ersten Mal in meinem Leben vollkommen erschöpft.
    Mein Vater ist hier.
    Wir schlafen unter demselben gottverdammten Dach; ich hatte gehofft, das nie mehr durchmachen zu müssen. Aber er ist hier, in seinen Privaträumen, bis er das Gefühl hat, guten Gewissens wieder abreisen zu können. Was heißt, dass er unsere Probleme lösen will, indem er den Sektor 45 terrorisiert. Was heißt, dass ich als seine Marionette und sein Bote zu fungieren habe, da mein Vater sein Gesicht grundsätzlich nur Menschen zeigt, die er kurz darauf umbringt.
    Er ist oberster Befehlshaber des Reestablishment und zieht es vor, im Verborgenen zu agieren. Er ist immer nur mit einer Truppe handverlesener Soldaten unterwegs, die für ihn handeln. Das Kapitol verlässt er nur in Extremlagen.
    Die Nachricht von seinem Eintreffen im Sektor 45 hat sich inzwischen sicher verbreitet und meine Soldaten in Angst und Schrecken versetzt. Denn für sie hat seine Gegenwart seit jeher immer nur eines bedeutet: Folter.
    Es ist so lange her, dass ich mich zuletzt wie ein Feigling gefühlt habe.
    Aber das jetzt – das ist pures Glück. Dieser lange Moment – diese Illusion – von Kraft. Aufstehen und duschen: ein kleiner Sieg. Die Ärzte haben den verletzten Arm in eine wasserdichte Folie verpackt, und ich bin endlich kräftig genug, auf den Füßen zu stehen. Die Übelkeit hat nachgelassen, der Schwindel ist verschwunden. Ich sollte eigentlich klar denken können. Dennoch fühle ich mich so verworren.
    Ich habe es mir verboten, an sie zu denken, aber mir ist klar geworden, dass ich immer noch nicht stark genug bin; vor allem so lange nicht, wie ich nach ihr suche.
    Heute muss ich in ihr Zimmer gehen.
    Muss ihre Sachen durchsuchen. Vielleicht finde ich einen Anhaltspunkt. Bett und Spind von Kent und Yamamoto sind ausgeräumt worden; man hat nichts von Bedeutung entdeckt. Aber ich hatte meine Leute angewiesen, ihr Zimmer – Juliettes Zimmer – nicht anzurühren. Niemand außer mir hat dort Zutritt. Jedenfalls so lange nicht, bis ich alles in Augenschein genommen habe.
    Und das ist, meinem Vater zufolge, meine erste Aufgabe.
    »Das wäre alles, Delalieu. Ich sage Bescheid, wenn ich Sie brauche.«
    Er folgt mir dieser Tage häufiger als sonst. Offenbar hat er nach mir gesehen, als ich nicht zu dem Appell erschien, zu dem ich selbst vor drei Tagen aufgerufen hatte. Und dann hat er mich halb bewusstlos und im Fieberwahn vorgefunden. Irgendwie hat er es nun geschafft, sich für all das schuldig zu fühlen.
    Jemand anderen hätte ich längst degradiert.
    »Ja, Sir. Tut mir leid, Sir. Und bitte verzeihen Sie mir – ich wollte wirklich keine zusätzlichen Probleme verursachen –«
    »Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Lieutenant.«
    »Es tut mir so leid, Sir«, flüstert er. Steht mit gesenktem Kopf da.
    Seine Entschuldigungen sind mir unangenehm. »Die Truppen sollen sich um dreizehn Uhr versammeln. Ich muss die Ansprache ja immer noch halten.«
    »Ja, Sir.« Er nickt ein Mal, ohne aufzublicken.
    »Wegtreten.«
    »Sir.« Er salutiert und verzieht sich.
    Ich stehe alleine vor der Tür zu ihrem Zimmer.
    Es ist seltsam, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte, sie hier zu besuchen; wie sonderbar tröstlich es für mich war zu wissen, dass wir beide im selben Gebäude wohnten. Ihre Anwesenheit im Stützpunkt veränderte alles für mich; in der Zeit mit ihr lebte ich zum ersten Mal gern hier. Ich freute mich auf

Weitere Kostenlose Bücher