Zerteufelter Vers (German Edition)
wartete weiter ab und gab sich alle Mühe, seine Abgeklärtheit nachzuspielen. Gloria wollte herausfinden, warum er eine solche Macht über das Verhalten anderer bekam, wenn er es darauf anlegte. Denn bei ihr selbst hatte es gleich mehrere Male funktioniert.
Ihm entging nicht, dass sie ihn foppen wollte. Anstatt jedoch nachzufragen, weshalb sie schwieg oder gar beizusteuern, beugte Kirt sich über den Tisch und schaute ihr mit starrem Blick in die Augen. So viel Blau war schon unverschämt hübsch, aber diesen Gedanken wollte Gloria sich in keiner Weise anmerken lassen. Eine Bedienung kam mit einem vollbeladenen Tablett an ihren Tisch und Kirt nahm ihr zwei Sektgläser ab. Er bedankte sich höflich bei der Kellnerin, ehe er sich wieder zu Gloria drehte und sie mit einer Wucht traf, die sie nicht vermutet hatte! – Denn als Kirt sich drehte, kam er näher. Er stand nun sehr eng neben ihr und tauchte seinen Blick in den ihren. Mit einem gewinnenden Lächeln drückte er Gloria das zweite Glas in die Hand. Mit Sicherheit war es kein Zufall, dass dabei seine Hand die ihre für einen Hauch berührte. Kirt erhob sein Glas und trank einen kleinen Schluck wobei er Glorias Blick fesselte. Sie nippte an ihrem Glas.
»Der Sekt schmeckt gut.« Kirt lachte leise. »Das ist Champagner!« »Oh…« Gloria nickte und trank erneut einen Schluck. Er hatte es geschafft: Auch diese Runde ging mal wieder an ihn und ehe sie sich versah, formte sich ein breites Lächeln rund um seine Mundwinkel. So sehr sie sich auch Mühe gab, ihn aus der Reserve zu locken oder gar stutzig zu machen, es war scheinbar unmöglich. Jeder normale Mensch hätte darauf bestanden, erzählen zu dürfen, wie geschickt er ihren gemeinsamen Zutritt in diesen Saal eingefädelt hatte. Doch Kirt nahm diese Kleinigkeit nur als willkommene Begleiterscheinung, die ihn umschien wie eine besondere Aura. Gloria setzte wieder das Glas an ihre Lippen und wartete darauf, dass er etwas sagte, als erneut eine Kellnerin zu ihnen an den Tisch kam.
»Darf ich Ihnen eine Kleinigkeit anbieten?« Sie servierte ein edles Tellerchen und drapierte darauf eine kleine Auswahl. Die Bedienung verschwand und Gloria schaute Kirt nun doch überrascht an. »Ist das normal?« Er lächelte. »Lass´ es dir schmecken.« Kirt trank einen Schluck, ehe er fortfuhr: »Du bist hier unter den Reichen. Wenn du es erst einmal bis hierher geschafft hast, musst du nur die richtigen Kontakte knüpfen.« Sein süffisantes Lächeln gab Gloria einige Fragen auf, die sie nicht missen wollte, beantwortet zu bekommen… zu einem späteren Zeitpunkt. So absonderlich ihr die Welt in diesem festlichen Saal vorkam, so fern lag es, dass sie noch vor zwei Tagen armselig auf einer Bank im Park geschlafen hatte. Das einzige, was man scheinbar brauchte, war eine gute Garderobe, ein nettes Lächeln und jemanden, der sich richtig gut auskannte – so wie Kirt.
Der Abend wurde schön, glorreich und süffig. Der Champagner hatte es in sich; nichts musste bezahlt werden. Zu der Gesellschaft gehörten Bekannte und Geschäftspartner der amerikanischen Filmemacher. So kam es, dass es nur so wimmelte vor Regisseuren und Produzenten, Schauspielern und Autoren. Wenn Gloria eines aus diesem Abend lernte, dann zwei alt bekannte Weisheiten: Zum einen ‹Sehen und gesehen werden› und zum anderen, dass ‹Kleider Leute machten!›
Der Abend verlief anders als sie ihn sich vorgestellt hatte. Das Gefühl, wie ein Star hofiert zu werden, schien neu. Mittlerweile stieg ihr der Champagner zu Kopf. Die Füße taten langsam weh, obwohl die Absätze gar nicht so hoch waren und Gloria wirkte vor allem müde. Wie spät war es überhaupt? »Was ist?« Kirt grinste. Gloria schaute ihn lange an. Mochte dieser Kerl sie nun – oder nicht? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Noch dazu ließ sich in ihrem Kopf kein gescheiter Gedanke mehr formen. »Wollen wir los?« Er strich ihr kurz mit den Fingern über die Hand. »Wenn du möchtest…« Gloria raffte sich auf und verließ schließlich an Kirts Seite den Saal.
Draußen angekommen, war es unangenehm frisch. Und anstatt einen klaren Kopf von der kühlen Luft zu bekommen, schlug es Gloria mit einer undefinierbaren Wucht entgegen. Sie war betrunken – und das nicht zu knapp! Je genauer sie versuchte, einen auserkorenen Punkt zu fixieren, desto weniger gelang es ihr. Wenn Kirt nicht gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich die gesamte Straße vermessen – in Form fortwährender Schlangenlinien!
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