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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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Wahrheit darin. An der Stelle, bei der der See ihn fragte, wann er das letzte Mal in den Spiegel gesehen und dabei nicht seinen gebrochenen Flügel betrachtet hatte, musste sie grinsen, denn da fand sie sich selbst wieder. Man vergaß oft, den kleinen Dingen im Leben sein Herz zu schenken. – Und vermeintliche Kleinigkeiten nahm man hingegen viel zu ernst. Zum Glück hatte Gloria nie verlernt, auch mal über sich selbst zu lachen. Es tat gut, von dem Buch auf ein neues Thema gestupst zu werden. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen; jeder war in irgendeinem Bereich unsicher. Wer aber aufhörte, Neues zu wagen, der hörte irgendwie auch auf, das Leben in all seiner Tiefe zu leben. Denn wer nichts Neues annahm, stand still und wer stillstand, lebte nicht richtig weiter…
    Das Märchen schien ganz simpel gestrickt zu sein. In einem behielt es jedenfalls Recht: Man betrachtete sich selbst oft zu kritisch. Und sobald ein Mensch mit sich im Reinen war oder selbstbewusst auftrat, sahen einen andere völlig neu an. Der springende Punkt schien dabei mal wieder die Akzeptanz seiner eigenen Schwächen zu sein: ‹ Sich selbst treu bleiben und sagen, was man denkt.› Gloria überlegte… Sich selbst zu akzeptieren, schien gar nicht leicht zu sein. Tat man es dennoch – und zwar bedingungslos ehrlich – wurde man wahrhaft glücklich!
    Der kleine Schmetterling war mutig, klug und konnte mit sich allein sein… Gloria schmunzelte. Sollte sie sich dies etwa auf die Nase binden? – Das Alleinsein? Gloria ließ ihren Blick durch den Park schweifen. Sie hatte viel gelernt, seit sie den Mut fasste, auf eigenen Beinen zu stehen. Gloria strich mit den Fingern über die Seiten. Letztlich begann alles mit diesem mysteriösen Buch… Und sie war schon jetzt an sich selbst gewachsen. Gloria stutzte plötzlich und blätterte schnell zurück, um das letzte Gedicht noch einmal durchzulesen. Da stand es:
    ‹Doch kannst du nur begreifen, wenn du nicht fliehst davor. So wächst du an dir selbst…› War das der Sinn? Ganz simpel und einfach? – Dass die Todesdaten nur die Aufgabe besaßen, Gloria zu zwingen, ihr allgegenwärtiges Thema aus einer neuen Perspektive zu betrachten? – Sehr makaber. Aber irgendwie hatte es dazu geführt, dass sie mehr Abstand zu sich selbst und zu ihren Problemen fand; und das tat gut!
    Gloria schmunzelte: Den Preis, den sie zuvor dafür gezahlt hatte, kostete sie bestimmt graue Haare! Jetzt musste sie plötzlich lachen – ganz für sich allein und als ihr auffiel, wie lange es her war, dass sie mit sich selbst einmal gelacht hatte, wurde ihr Grinsen noch größer. Das tat gut! Und vor allem war es schön, dieses Gefühl zu spüren, obwohl Kirt nicht bei ihr war. Sonst hätte sie es ausschließlich ihm zugeschrieben, sich plötzlich so gut zu fühlen.
    Klar, es änderte nichts daran, dass Gloria ihre Mutter vermisste, aber dies schien zumindest ein Weg zu sein, der es ermöglichte, weiterzuleben. – Und zwar, ohne die Nächte in der Bibliothek verbringen zu müssen. Stattdessen musste sich ihr Hirn mit anderen wichtigen Dingen herumschlagen. Aber die wogen nicht mehr so schwer, wie zuvor. ‹Nur mit dir selbst, du stehst im Gericht.› Mit einem Mal schienen all die Gedichte plötzlich eine Art Gemeinsamkeit zu entwickeln. Gloria spürte eine innere Zufriedenheit. Mit sich selbst war sie im Reinen… zum Glück. Und sie fragte sich, wann sie es das letzte Mal gewesen war; sie konnte sich nicht erinnern. – Zumindest musste es vor dem Tod ihrer Mutter gewesen sein.
    Gloria legte das Buch beiseite. Es wäre zwar schöner, wenn Kirt jetzt bei ihr säße, aber sie war lange genug allein gewesen – dann konnte sie das jetzt auch! Gloria legte sich der Länge nach auf die Polster und fühlte sich leicht…
    Am nächsten Morgen erwachte sie früh. Gloria drehte sich wieder um und schlief tatsächlich noch einmal ein; Premiere! Denn normalerweise rissen ihre Gedanken immer so sehr an ihr, dass sie kein Auge mehr zubekam, war sie erst einmal wach geworden. Gloria schlief noch locker zwei Stunden, bis sie zum zweiten Mal erwachte; doch nicht von selbst, sondern von dem Geräusch herunterprasselnden Regens. Schon Ewigkeiten hatte es nicht mehr geregnet und der Boden war staubtrocken. Gloria sah mit prüfendem Blick gen Himmel. Die Blätter über ihr bildeten ein so dichtes Dach, dass sie nicht nass wurde. Zum Glück gehörten ihre Nächte auf Parkbänken der Vergangenheit an!
    Stundenlang saß Gloria so da – ohne,

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