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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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einfach seinen Job machen und gar nicht mit ihr reden, so wie er es schon den ganzen Morgen über gemacht hatte. Sie war sich nicht sicher, was schlimmer war.
    Nach dem Pech zu urteilen, von dem sie verfolgt wurde, sollte es sie nicht überraschen, dass sie ausgerechnet mit diesem wortkargen Mann gestraft wurde. Wenn sie schon Monate Gott weiß wo mit einem Leibwächter zubringen musste, warum nicht mit jemandem, der ihr sympathisch war … jemand wie dieser nette Agent Berringer?
    Wenigstens würde Dave Owens bei ihnen sein. Sie sah zu dem Mann, der hinter dem Piloten saß und aufmerksam jedes Wort mitverfolgte, das die beiden im Cockpit wechselten. Er war noch jung, eindeutig ein Anfänger, und ihm schien viel daran gelegen zu sein, sich mit Agent Rawlins gut zu stellen. Aber wenigstens hatte er sich ihr gegenüber höflich verhalten.
    Lauren stützte den Kopf gegen den Sitz vor ihr und seufzte leise. Sie hatte das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein, aus dem sie nicht aufwachen konnte. Noch vor zwei Jahren war sie ein aufstrebender Star mit strahlender Zukunft gewesen. Sie hatte gewaltiges Talent und einen attraktiven Verlobten gehabt, von dem sie gedacht hatte, er würde sie lieben. Er hatte ihre Karriere verwaltet -- und ein kleines Vermögen dazu. Das Leben war wundervoll gewesen. Und dann, fast über Nacht, waren ihr Geld, ihre Zukunft und ihr Verlobter verschwunden.
    Und nun arbeitete sie wochentags für einen bescheidenen Lohn als Musiklehrerin, und an den Wochenenden spielte sie in einer Bar Klavier. Genauer gesagt, hatte sie Klavier gespielt -- bis gestern Abend. Jetzt dagegen war sie auf der Flucht vor Killern, die ein Mann auf sie gehetzt hatte, der sie betrachtete, als hätte er sie aus irgendeiner Gosse gezogen.
    Wenn es ein Albtraum war, dann konnte sie nur beten, dass sie so schnell wie möglich aufwachte.
    Der Stress und die Erschöpfung machten sich jetzt bemerkbar, da sie für den Augenblick in Sicherheit war. Ihre aufgeschrammten Handflächen und das Knie stachen noch immer. Ihre Augen waren überanstrengt, und es kam ihr vor, als würde jeder Muskel in ihrem Körper Schmerzen verursachen.
    Außerdem war sie völlig übermüdet und hatte das Gefühl, Arme und Beine aus Blei zu haben. Das ist eigentlich gar nicht verwunderlich, dachte sie und musste gähnen. Von dem kurzen Nickerchen auf dem Polizeirevier abgesehen, hatte sie seit mehr als vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen.
    Sie rutschte auf ihrem Platz nach hinten und schloss die Augen. Das Dröhnen der Motoren war so monoton, dass es sie einlullte, während sich ihr Körper allmählich entspannte.
    ″Was? Was ist los?” Lauren saß kerzengerade auf ihrem Platz, ihr Herz raste, und sie war desorientiert und groggy. Sie wusste nicht, wo sie sich befand und wie sie hergekommen war. Ihr Blick irrte in der kleinen Kabine umher, während Panik von ihr Besitz ergreifen wollte.
    Dann sah sie Sam Rawlins, und im selben Moment kehrte die Erinnerung zurück. Sie stöhnte leise auf, legte eine Hand auf ihre Brust, um ihr heftig pochendes Herz zu beruhigen, und ließ sich wieder in den Sitz sinken.
    Die Erleichterung hielt nicht lange vor. Im nächsten Augenblick erkannte Lauren, was sie aus ihrem tiefen Schlaf gerissen hatte. Das Dröhnen eines der Motoren war einem stotternden, ungesunden Geräusch gewichen.
    Sie umklammerte die Armlehnen, beugte sich vor und rief den drei Männern zu: “Was ist das für ein Lärm? Was ist hier los?”
    Agent Owens drehte sich zu ihr um, doch das Entsetzen, das ihm ins Gesicht geschrieben stand, trug nicht dazu bei, ihre Aufregung zu mildern.
    Sam drehte sich ebenfalls um und rief zurück: “Wir haben Probleme mit einem Motor! Setzen Sie sich gerade hin, und behalten Sie den Gurt an!”
    Motorenprobleme? Lauren hatte mit einem Mal das Gefühl, eine unerträgliche Last würde auf ihre Brust drücken.
    Sie sah aus dem Fenster und spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie flogen tiefer, als sie erwartet hatte. Die Baumspitzen und Felsen schienen viel zu dicht unter ihnen vorbeizuziehen.
    Der Anblick hatte etwas Atemberaubendes. Sie überflogen eine majestätische Gebirgskette, die sich aus zerklüfteten Gipfeln und weiten, nebelverhangenen Tälern zusammensetzte und komplett mit Schnee bedeckt war. Und nirgends gab es den kleinsten Hinweis auf Zivilisation.
    “Komm schon, Baby, komm, lass mich nicht im Stich, Schatz”, redete der Pilot auf sein Flugzeug ein.
    Instinktiv sah Lauren wieder nach vorn.

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