Zeugin am Abgrund
Und vor ihm auch nicht, sagte sie sich.
“Warum nicht?”
“Nach allem, was er mir angetan hat? Mich wundert, dass du mich so etwas fragst.”
“Der Typ war eine miese Ratte und ein Dieb. Das ist doch kein Grund, dem Sex abzuschwören.”
“Das habe ich nicht. Ich wollte nur vermeiden, dass ich wieder verletzt werde. Könnten wir jetzt bitte das Thema wechseln?”
“Noch nicht.” Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Finger, um sie zu zwingen, ihn anzusehen. “Sieh mal, Lauren, wir haben uns geliebt. Na und? Wir sind zwei gesunde Menschen, die unter großem Stress stehen und auf Grund einer bestimmten Situation zusammen sind. Dazu kommt eine starke gegenseitige körperliche Anziehung, und damit ist das Geschehene wahrscheinlich unvermeidbar gewesen. Es ist ganz natürlich, dass sich zwei Menschen näher kommen, die sich in einer gefährlichen Lage befinden.”
Lauren war verletzt, beleidigt und erleichtert zugleich, als sie ihn stumm ansah. Ihre Brust schmerzte. Er hätte es nicht in deutlichere Worte fassen können, dass es zwischen ihnen keine wirkliche emotionale Anziehung gab. Es war pures Verlangen und der Wunsch nach menschlicher Nähe gewesen.
Nicht dass sie von Sam irgendetwas in dieser Art erwartet oder erhofft hätte. Es war nur so, dass seine Erklärung so kalt und gefühllos wirkte.
“Also?” fragte er und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. “Siehst du das auch so?”
“Ich schätze ja.”
Er betrachtete sie schweigend. Lauren konnte ihm nicht ansehen, ob ihre Antwort ihm gefiel, doch nach ein paar Sekunden nickte er. “Gut.”
Er senkte den Kopf und tupfte Küsse auf ihr Schlüsselbein.
“Sam!” protestierte sie. “Was machst du da? Hör auf!”
“Warum? Ich will dich noch immer, und du willst mich auch noch immer.” Mit den Lippen wanderte er an ihrem Hals entlang bis zur zarten Unterseite ihres Kinns. “Wir sind beide ungebunden, die Zukunft ist für uns beide völlig ungewiss”, murmelte er. “Warum sollen wir uns also nicht vergnügen, wenn wir die Gelegenheit dazu haben?”
Sein warmer Mund hinterließ auf ihrer Haut wieder eine heiße Spur, die Lauren daran hinderte, ein Gegenargument zu finden, weder ein logisches noch ein emotionales. Es half ihr auch nicht, als seine Hand über ihren Bauch glitt und sich um ihre Brust legte.
Er strich mit dem Daumen über ihre Brustspitze und brachte Lauren dazu, mit einem unverständlichen kehligen Laut zu reagieren. Sie versuchte den Verstand siegen zu lassen, aber es war so gut wie unmöglich, der Lust etwas entgegenzusetzen, die sich wie eine heiße Flut in ihrem Körper ausbreitete. “Sam … ich denke …”
“Tu es nicht. Nicht denken. Fühl einfach nur.” Der tiefe, heisere Befehl war so unverhohlen sinnlich, dass sie eine Gänsehaut bekam.
Während das Verlangen langsam wieder von ihrem Körper Besitz ergriff, beschleunigte sich ihr Herzschlag, und sie atmete zunehmend schneller und flacher, als wäre mit einem Mal nicht mehr genug Sauerstoff in der Luft.
“Wir … wir sollten nicht … es ist nicht …” In einem letzten Aufbegehren suchte sie nach irgendeinem vernünftigen Grund, warum sie aufhören sollten, doch als er seine Hand zwischen ihre Schenkel schob, war sie verloren. “Oh, Sam!”
Nach etwa einer Stunde erwachte Sam aus einem leichten Schlaf, als sich Lauren in seinen Armen bewegte. Er hielt die Augen geschlossen. Mit einem zufriedenen Seufzen legte sie ihr Bein auf seinen Oberschenkel und kuschelte sich dichter an ihn, damit sie ihr Gesicht bequemer an seiner Brust ruhen lassen konnte.
Ihr Atem fächelte über seine Brusthaare, und der Anflug eines Lächelns umspielte seinen Mund. Für jemanden, der im wachen Zustand so vorsichtig und reserviert war, mochte sie es im Schlaf ganz offensichtlich, sich an jemanden zu kuscheln.
Sam rieb sein Kinn über Laurens Kopf, genoss den Duft ihres Haars und das sinnliche Gefühl der seidigen Strähnen. Noch im Halbschlaf dachte er darüber nach, wie seltsam es war. Bei keiner anderen Frau hatte er je den Wunsch verspürt, nach dem Sex einfach nur eng umschlungen mit ihr dazuliegen.
Die emotionale Intimität, die Frauen dann zu benötigen schienen, hatte ihn immer ein wenig abgeschreckt. Sex war eine gute Sache, aber er fühlte sich nicht wohl dabei, dass ihm auf diesem emotionalen Niveau irgendjemand zu nahe kam.
Meistens hatte er sich dazu durchgerungen, um die Gefühle seiner Partnerin nicht zu verletzen, allerdings hatte er diese Phase nie lange
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