Ziegelgold - Das Geheimnis von Kleiborg (German Edition)
Flur hinunter. Es hingen alte Fotos aus der Region an den Wänden. An der vorletzten Tür auf der rechten Seite machten sie Halt. 'Hermann Sakuth' stand auf dem kleinen Schild neben der Tür.
Als sie eintraten, zuckte Alex erschrocken zusammen. Herr Sakuth war äußerst mager und seine Haut schien dünn wie Pergamentpapier zu sein. Die blassen Augen lagen tief in ihren Höhlen. Alex überlegte, ob er überhaupt schon mal einem so alten Menschen begegnet war. Seine Urgroßeltern hatte er nicht mehr kennen gelernt, und seine Großeltern waren erst Ende sechzig und noch topfit. So sieht das Alter aus, dachte er schmerzlich.
Als der alte Herr den Besuch bemerkte, lächelte er. Er fasste die Hand seines Enkels Jens an und zog ihn zu sich hinunter, um ihn zu umarmen. Dann begrüßte er seinen Sohn Dieter, allerdings nur per Handschlag. „Opa“, rief Jens so laut, dass sich Alex erschrak, “wir haben Besuch mitgebracht“, und zeigte auf Alex und Tim. Freundlich grüßten die beiden den dritten Herrn Sakuth, den sie heute kennen lernten. „Opa“, brüllte Jens Sakuth den alten Herrn wieder an, „die Jungs wollen etwas von deiner Zeit als Polizist wissen.“ Sein Großvater sah ihn an. „Nein, mein Junge, ich brauche kein Sitzkissen.“ Jens Sakuth sah lächelnd zu Alex. Er ging noch dichter an das Ohr des alten Mannes. „Du sollst aus deiner Zeit als Polizist erzählen“, schrie er ihm fast ins Ohr. Sein Großvater sah erst seinen Enkel an, dann zu Alex und Tim.
„ Da gibt es nichts zu erzählen“, sagte er leise. Seine Stimme klang verbittert. „Das ist ja auch schon sehr lange her. Vor dem Krieg, ja, lange her, sehr lange.“ Er sah Alex tief in die Augen. Dann ging ein Lächeln über sein Gesicht. „Ist Greta auch mit gekommen?“ Jens fasste seinen Großvater an den Schultern. „Opa, Tante Greta ist vor drei Jahren gestorben.“ Alex hatte schon einiges von Demenz und Alzheimer gehört, aber noch nie erlebt, wie es ist, sich mit einem Kranken zu unterhalten. Er sah kurz zu Jans Sakuth. Als der nickte, ging er langsam in die Knie und sah dem alten Mann ins Gesicht. „Herr Sakuth, erinnern Sie sich an die Nacht vom 13. zum 14. Oktober 1936 in Kleiborg. Sie haben mit Komissar Willms zusammen gearbeitet.“ Ein Ruck ging durch Hermann Sakuths Körper. Dann nickte er kurz.
„ Ja, der Willms“, sagte er nach einer Weile und hörte gar nicht mehr auf zu nicken. Dann sah er erst Alex, dann Tim tief in die Augen. Seine Gesichtszüge veränderten sich. Sie wurden hart. „Willms, dieses Schwein.“ zischte er und wackelte aufgeregt mit dem Kopf. „Kleiborg, mein Junge? War das nicht der tote Jude in der Ziegelei?“ Alex zuckte erschrocken zusammen. Jetzt hockte sich auch Jens Sakuth vor seinen Großvater. „Opa, was weißt du darüber? War der Fall in Kleiborg der Grund für deine Entlassung?“ Die Gesichtszüge des alten Mannes nahmen groteske Züge an. Dann fing er an, zu weinen. „Kleiborg“, schluchzte er. Dann sagte er nichts mehr.
Als sie das Zimmer des alten Mannes verlassen hatten, lehnte sich Jens Sakuth an die Wand. Er war blass. „Das war für meinen Großvater etwas viel auf einmal“, sagte er. „Aber ich habe den Eindruck, seine damalige Entlassung hing mit eurem mysteriösen Todesfall zusammen.“ Alex wusste nicht so richtig, was er von dem Gespräch halten sollte. Es hat ihn ergriffen, zu sehen, wie der alte Mann auf die Namen Willms und Kleiborg reagiert hat. „Die Begriffe müssen eine furchtbare Erinnerung in ihm wachgerufen haben“, murmelte er leise. „Ich kann mir nicht helfen“, unterbrach ihn Tim, „aber ich habe nicht das Gefühl, dass es sich damals um einen Routinefall, also einen Selbstmord, gehandelt hat. Zum einen gab es keine Waffe. Dann das Schreiben der Gestapo aus Wilhelmshaven, das wir in Oldenburg gefunden haben und nun diese Reaktion ihres Großvaters.“ Tim sagte nichts darüber, dass sie aus dem Tagebuch seines Urgroßvaters Informationen besaßen, die eindeutig auf einen Mord hinwiesen.
„ Es gibt noch einen Koffer.“ Dieter Sakuths Stimme klang schwach. Er saß auf einem Stuhl und stützte seinen Oberkörper mit den Armen auf den Knien ab. Jens Sakuth fuhr herum. „Was für einen Koffer?“ Dieter Sakuth seufzte. „Als dein Opa ins Altenheim gekommen ist, haben wir doch die meisten Sachen aus seiner Wohnung verkauft oder weggeworfen. Du warst ja dabei. Da kam er plötzlich mit dem alten Koffer an. Den sollten wir erst aufmachen, wenn er nicht
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