Ziel erfasst
neigte den Kopf zur Seite, und Schweiß tropfte von seinem Gesicht. »Kannst du mir ein Beispiel geben?«
»Ja. Zum Beispiel bei unserem letzten Kampf. Deine Hand zuckte während des Handgemenges zweimal in Richtung Hüfte. Deine Pistole war unter deinem Hemd und deinem Hosenbund gut verborgen, aber du hast ihre Gegenwart verraten, indem du zuerst daran gedacht hast, sie zu ziehen, dann aber deine Meinung geändert hast. Hätte dein Angreifer nichts von dieser Waffe gewusst, wäre er einfach zu Boden gefallen, um dann wieder aufzustehen. Ich wusste jedoch von deiner Pistole, weil du es mir durch deine Aktionen ›erzählt‹ hast. Als ich zu Boden fiel, wusste ich, dass ich dich mit nach unten ziehen musste, um dir keinen Raum zu lassen, sie aus dem Holster zu reißen. Ergibt das für dich einen Sinn?«
Ryan seufzte. Es ergab einen Sinn, wenngleich James Buck natürlich in Wirklichkeit von der Pistole unter Ryans T-Shirt wusste, da er sie ihm ja selbst vor der Übungseinheit übergeben hatte. Trotzdem räumte Ryan ein, dass ein unglaublich gerissener Gegner möglicherweise durch kleine Hinweise seine Absicht erraten könnte, nach einer an seiner Taille verborgenen Waffe zu greifen.
Scheiße, dachte Ryan. Sein Feind müsste eigentlich fast hellseherische Fähigkeiten haben, um dies mitzubekommen. Aber aus genau diesem Grund verbrachte Ryan einen Großteil seiner Abende und Wochenenden mit Ausbildern, die der Campus für ihn engagiert hatte. Er sollte lernen, wie man mit diesen unglaublich gerissenen Gegnern fertigwurde.
James Buck war ein ehemaliges Mitglied des britischen SAS und der Rainbow-Truppe. Neben anderen grausamen und blutigen Fertigkeiten war er ein absoluter Fachmann für den Nahkampf mit bloßen Händen oder Stichwaffen. Der Direktor des Campus, Gerry Hendley, hatte ihn höchstpersönlich eingestellt, um Ryan diese Fertigkeiten beizubringen.
Ein Jahr zuvor hatte Ryan Gerry Hendley mitgeteilt, dass er neben seinen Analysen für den Campus auch an weiteren Feldoperationen teilnehmen wolle. Er hatte danach mehr Gelegenheiten dazu bekommen, als ihm lieb war. Er hatte sich dabei zwar gut geschlagen, verfügte jedoch nicht über den gleichen Ausbildungsstand wie die anderen Agenten in seiner Organisation.
Er wusste es, und Hendley wusste es, und sie wussten auch, dass die Trainingsoptionen etwas beschränkt waren. Der Campus existierte ja offiziell gar nicht. Er war keine Behörde der US-Regierung, deshalb stand jede formelle Ausbildung durch das FBI, die CIA oder das US-Militär jenseits jeder Diskussion.
Aus diesem Grund hatten Jack, Gerry und der Operationsleiter des Campus, Sam Granger, beschlossen, nach anderen Wegen zu suchen. Sie wandten sich an die altgedienten Campus-Außenagenten John Clark und Domingo Chavez und entwickelten mit ihnen zusammen einen Ausbildungsplan für den jungen Ryan, der ein striktes Training vorsah, dem er sich mindestens ein Jahr lang in seiner Freizeit unterziehen musste.
Diese harte Arbeit hatte sich wirklich ausgezahlt. Jack jr. war weit besser geworden, auch wenn das Training selbst oft frustrierend war. Buck und andere wie er machten so etwas ja bereits ihr ganzes Erwachsenenleben lang und hatten entsprechende Erfahrungen gesammelt. Ryan verbesserte sich zweifellos immer weiter, aber besser zu werden hieß noch lange nicht, Männer wie James Buck besiegen zu können. Es bedeutete nur, weniger oft zu »sterben« und Buck und die anderen zu größeren Anstrengungen zu zwingen, wenn sie ihn besiegen wollten.
Buck hatte wohl die Enttäuschung auf Ryans Gesicht bemerkt, denn er klopfte ihm verständnisvoll auf die Schulter. Der Waliser konnte manchmal wirklich grausam und gemein sein, aber bei anderen Gelegenheiten war er freundlich, wenn nicht sogar väterlich. Jack wusste nicht, welche der beiden Persönlichkeiten seine »echte« und welche nur »vorgeschoben« war oder ob gar beide notwendige Bestandteile seines Trainings, also eine Art Zuckerbrot und Peitsche, waren. »Kopf hoch, alter Junge«, munterte ihn Buck auf. »Du hast seit Trainingsbeginn große Fortschritte gemacht. Du besitzt die körperlichen Voraussetzungen, die du für diese Arbeit brauchst, und du bist klug genug, um alles Nötige zu lernen. Wir müssen nur unsere Arbeit fortsetzen und deine technischen Fähigkeiten und deine Kampfmentalität weiter aufbauen. Du kannst es inzwischen mit neunundneunzig Prozent der Typen da draußen ohne Schwierigkeiten aufnehmen. Aber das restliche Prozent, das sind
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