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Ziel erfasst

Ziel erfasst

Titel: Ziel erfasst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Reparaturarbeiten zu erledigen, am Haus herumzubasteln und angeln zu gehen. Sandy kam ab und zu mit. Sie hatten zusammen Gettysburg besucht, das nur ein paar Kilometer entfernt lag, und hofften, bald einmal eine Wochenendfahrt ins Amish Country unternehmen zu können, das im benachbarten Lancaster County lag.
    Sie planten, nach ihrer Pensionierung ganz hierherzuziehen.
    Nach Sandys Pensionierung, korrigierte sich Clark, als er sich durch das dichte Gebüsch kämpfte, mit dem der ganze Hügel jenseits des Baches bedeckt war.
    John hatte das Anwesen für ihren gemeinsamen Lebensabend gekauft, aber er glaubte nicht, dass er lange genug leben würde, um sich zur Ruhe zu setzen, Käse zu machen und schließlich an Altersschwäche zu sterben.
    Nein, John Clark war sich sicher, dass sein Ende viel plötzlicher eintreten würde.
    Die Kugel in seinem Arm war bestimmt das fünfzigste Mal, dass er beinahe das Zeitliche gesegnet hätte. Hätte ihn dieses 9-mm-Geschoss nur etwas weiter links getroffen, hätte es einen Lungenflügel zerrissen, und er wäre in seinem eigenen Blut erstickt, bevor Ding und Dom ihn zur Straße hinuntergebracht hätten. Noch etwas weiter links hätte es sein Herz durchbohrt, und er hätte es nicht einmal mehr aus der Mansardenwohnung geschafft. Wäre der Schuss etwas höher gezielt worden, wäre er in seinen Hinterkopf eingeschlagen, und er wäre wie Abdul bin Mohammed al-Qahtani in diesem Aufzug im Hôtel de Sers auf der Stelle tot umgefallen.
    John war sich sicher, dass er früher oder später – und dieses »später« kam immer näher – bei einem Einsatz sterben würde.
    Als er noch jung, wirklich jung, war, hatte er als Navy SEAL in Vietnam im MACV-SOG gedient, dem Military Assistant Command, Vietnam – Studies and Observations Group, einer Spezialeinsatztruppe für unkonventionelle Kriegführung. Clark war wie seine Kameraden jahrelang nur eine Haaresbreite vom Tod entfernt gewesen. Kugeln waren dicht an seinem Gesicht vorbeigepfiffen, Explosionen hatten Männern direkt neben ihm tödliche Schrapnelle in den Leib gejagt, Hubschrauber waren hundertfünfzig Meter in die Luft gestiegen, nur um dort oben festzustellen, dass sie an diesem Tag eigentlich nicht mehr fliegen wollten. Damals hatten ihn diese Begegnungen mit dem Tod mit Adrenalin vollgepumpt. Er war so ekstatisch, dass er noch am Leben war, dass er wie viele andere seines Alters und seines Berufs nach einer Droge namens Gefahr süchtig wurde.
    John schlüpfte unter dem niedrigen Ast einer jungen Pappel hindurch und passte auf, dass seine Angelrute nicht an einem Zweig hängen blieb. Als er sich an seine Zeit als Zweiundzwanzigjähriger erinnerte, musste er lächeln. Das alles war so lange her.
    Die Kugel, die ihn auf diesem Pariser Hausdach fast getötet hätte, hatte bei ihm natürlich nicht mehr diesen Begeisterungstaumel ausgelöst, wie er ihn als junger SEAL in Vietnam erlebt hatte. Sie hatte ihn aber auch nicht in Angst und Schrecken versetzt. Nein, John war auf seine alten Tage abgeklärter geworden. Fatalistischer. Die Kugel in Frankreich und das Farmhaus in Maryland hatten vieles gemeinsam. Beide machten John deutlich, dass diese verrückte Fahrt auf die eine oder andere Weise ein Ende finden würde.
    John kam an der südwestlichen Ecke seines Grundstücks an und kletterte über den Lattenzaun. Hier draußen gab es keinen Handyempfang. Er war also in den drei Stunden seines Angelausflugs telefonisch nicht erreichbar gewesen. Er fragte sich, wie viele Nachrichten wohl auf dem Anrufbeantworter seines Festnetztelefons in seinem Haus auf ihn warteten. Mit einer gewissen Wehmut erinnerte er sich an die Zeit vor den Mobiltelefonen, als man wegen eines kleinen Waldspaziergangs noch kein schlechtes Gewissen haben musste.
    Hier so allein durch die Wälder von Maryland zu streifen erinnerte ihn an seine einsamen Märsche durch die Wildnis Südostasiens. Im Urwald gab es natürlich ganz andere Pflanzen, aber das Gefühl war das gleiche. Er war schon immer gerne draußen in der Natur gewesen, in den letzten Jahren leider viel zu wenig. Wenn das Operationstempo im Campus wieder auf ein vernünftiges Niveau absinken würde, könnte er vielleicht etwas mehr Zeit hier draußen verbringen.
    Er würde seine Enkel gerne einmal zum Angeln mitnehmen – Jungs gefiel so etwas immer noch, oder?
    Er stieg in seinen eigenen Bach hinein und arbeitete sich durch das knietiefe Wasser voran. Er war froh, dass er heute Nachmittag seine Watstiefel angezogen

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