Ziel erfasst
in einen dunklen Raum. Er erwartete eigentlich, sich in einer kalten, ungemütlichen Verhörzelle wiederzufinden. Als jemand die Leuchtstofflampe anmachte, sah er jedoch, dass es ein abgenutztes, kleines Büro war mit ein paar Stühlen und einem Schreibtisch, auf dem ein PC und ein Telefon standen. Die Wände waren voller pakistanischer Militärbanner und Armeeabzeichen. Es hingen dort sogar gerahmte Fotos von Mitgliedern der pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft.
Die Bewaffneten setzten Embling auf einen Stuhl, nahmen ihm die Handschellen ab und verließen den Raum.
Embling war überrascht, dass man ihn hier in diesem kleinen, aber nicht einmal unbehaglichen Büro alleine zurückließ, und schaute sich um. Einige Sekunden später trat hinter ihm ein Mann ins Zimmer, ging um Emblings Stuhl herum und setzte sich an den Schreibtisch. Er trug die hellbraune Uniform der pakistanischen Armee, aber auf seinem grünen Armeepullover gab es keinerlei Abzeichen, die seinem Gegenüber offenbart hätten, mit wem er es hier zu tun hatte. Embling konnte nur erkennen, dass der Mann Ende dreißig war, einen kurz geschnittenen Kinn-und Oberlippenbart trug und eine rötliche Gesichtsfarbe aufwies. Seine schmale randlose Brille hatte er halb auf seine kantige Nase hinuntergeschoben.
»Mein Name ist Mohammed al-Darkur. Ich bin Major beim Inter-Services Intelligence Directorate.«
Nigel wollte den Major gerade fragen, warum man ihn für diese Begegnung aus dem Bett gerissen und durch die halbe Stadt gefahren hatte, als al-Darkur ihn direkt ansprach.
»Und Sie, Nigel Embling, Sie sind ein britischer Spion.«
Nigel lachte. »Danke, dass Sie gleich auf den Punkt kommen, aber Ihre Informationen sind nicht ganz korrekt. Ich bin Holländer. Sicher, meine Mutter stammt aus Schottland, das technisch gesehen zum britischen Empire gehört, aber ihre Familie hielt sich eher für …«
»Ihre Mutter stammt aus England, aus Sussex«, unterbrach ihn al-Darkur. »Ihr Name war Sally, und sie starb im Jahr 1988. Ihr Vater hieß Harold und stammte aus London. Er starb neun Jahre vor Ihrer Mutter.«
Embling hob seine buschigen Augenbrauen, sagte jedoch kein Wort.
»Es bringt nichts, mich anzulügen. Wir wissen alles über Sie. In der Vergangenheit haben wir Sie immer wieder beschattet. Wir kennen Ihre Verbindung zum britischen Secret Service.«
Embling verzog keine Miene, sondern ließ nur ein leises Kichern hören. »Sie packen das hier völlig falsch an, Major Darkur. Ich werde Ihnen sicher nicht erzählen, wie Sie Ihren Job erledigen sollten, aber unter einem Verhör stelle ich mir etwas anderes vor. Sie sollten ein paar Lehrstunden bei einigen Ihrer Kollegen nehmen. Ich habe in all den Jahren als Gast Ihres liebenswerten Landes in einigen ISI-Kerkern gesessen. Ihre Organisation hat mich bereits der unterschiedlichsten Dinge verdächtigt, als Sie wahrscheinlich noch in den Windeln lagen. Ich sage Ihnen jetzt, wie Sie das anstellen müssen. Zuerst sollten Sie mich ein wenig in die Mangel nehmen, etwa mich mit kaltem Wasser …«
»Sieht das hier wie ein ISI-Folterkeller aus?«, unterbrach ihn al-Darkur.
Embling schaute sich um. »Nein. Tatsächlich sollten Ihre Vorgesetzten Sie zur Nachschulung schicken. Sie schaffen es ja nicht einmal, für eine einschüchternde Atmosphäre zu sorgen. Hat der ISI keine Raumgestalter, die Ihren Räumlichkeiten hier einen perfekten, klaustrophobischen Horror-Look verpassen könnten?«
»Mr. Embling, das hier ist kein Vernehmungszimmer. Das ist mein Büro.«
Nigel musterte sein Gegenüber mehrere Sekunden lang. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Sie haben also offenbar wirklich keine Ahnung, wie Sie Ihren Job erledigen müssen, Herr Major.«
Der Pakistaner lächelte. Er gedachte wohl, den Sticheleien des alten Mannes mit freundlicher Nachsicht zu begegnen. »Sie wurden heute abgeholt, weil eine andere Abteilung des ISI verlangte, Sie und andere in unserem Land lebende verdächtige Ausländer einem Verhör zu unterziehen. Außerdem habe ich den Befehl, danach für Ihre Ausweisung zu sorgen.«
Wow, dachte Embling. Was zum Teufel geht hier vor? »Nicht nur mich? Alle hier lebenden Ausländer?«
»Viele. Nicht alle, aber viele.«
»Und aus welchem Grund schmeißt man uns raus?«
»Es gibt dafür keinen Grund. Nun … Ich nehme an, ich soll einen finden.«
Embling kommentierte dies nicht. Er war von dieser Nachricht immer noch völlig überrascht. Noch mehr erstaunte ihn jedoch, wie freimütig sich
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