Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
eine Maschine und eine Kutte. Genau das, was ich jahrelang haben wollte!
Aus heutiger Sicht war es natürlich gar nicht so verkehrt, von Dingen zu träumen, die man sich auch hätte erfüllen können. In meinem Fall wäre der Traum vom Fußballprofi reichlich naiv gewesen. Und zum Metallica-Gitarristen hätte es auch nicht gereicht. Ein Porsche hat mich nicht gereizt und ein Reihenhäuschen stand ebenfalls nicht in meiner Lebensplanung. Die 500er CB war zwar nicht die Höllenmaschine, aber für jene Zeit eigentlich ein ganz cooler Bock. Zweizylinder, knapp 50 PS, wenn ich mich richtig erinnere, und im Vergleich zu allem, was man Anfang der 80er-Jahre an mobilen Untersätzen kannte, mit einer ordentlichen Beschleunigung. Von 0 auf 100 in rund 6 Sekunden, da fühlte man sich fast wie in einem Starfighter – allerdings mit deutlich geringerer Absturzgefahr.
Les, den ich zu jener Zeit immer noch nicht kannte, war damals bereits bei den Ghostrider’s. Auch er hatte es, wie er mir später erzählte, vergleichsweise leicht, in den Club hineinzukommen, da einer seiner Cousins Mitglied bei den gelben Ghostrider’s war. Man könnte heute spotten, dass die Ghostrider’s damals nicht in der Lage waren, das korrekte englische Plural-s zu verwenden. Das sogenannte Deppen-apostroph bezog sich aber auf den MC und war demzufolge gar nicht so blöd, wie manche behaupteten. Der Club hieß richtig »Ghostrider’s MC«, also der Motorradclub des Ghostriders. Und zu dem sollte ich schon bald dazustoßen.
Das Rockerleben in dieser Zeit ist mit dem heutigen nicht mehr zu vergleichen – es ist aber genau jenes, was Les und mich in jener Lebensphase massiv geprägt hat. Zunächst einmal begann es damit, dass man als Neumitglied noch eine richtige Kuttentaufe über sich ergehen lassen musste. Dafür gab es die unterschiedlichsten Rituale. In manchen Clubs gab es den sogenannten Kutten-Burn-out. Die Kutte wurde in den Dreck gelegt, und dann machte einer mit seiner Maschine auf dem Teil einen richtigen Burn-out. Andere legten die Kutte in den Schlamm und dann fuhren alle Mitglieder mit ihren Böcken darüber, bis sie kaum noch zu erkennen war.
So was gibt es heute gar nicht mehr. Wenn ich sehe, wie viel Geld manche unserer Mitglieder für ihre Kutte ausgeben – das ist ja mittlerweile zu einem Modeaccessoire geworden, das schnell mal 1000 Euro kosten kann –, dann muss es nicht verwundern, dass auf diese alten Gepflogenheiten in den meisten Clubs verzichtet wird. Und es gibt noch einen wesentlichen Einwand: Wer pisst denn schon auf sein eigenes Colour? Gerade bei uns hat das Colour einen geradezu unschätzbaren symbolischen Wert. Die meisten Member haben hart für ihre Clubmitgliedschaft gekämpft, sich zum Teil jahrelang abgerackert und viel dafür getan, diese Farben eines Tages auf ihrem Rücken zu tragen. Da verwundert es nicht, wenn er es sich nicht mit Bier, Altöl, Kotze oder Pisse versauen lassen möchte. Um es dann für den Rest seines Clublebens ungewaschen tragen zu müssen …
Diese Zeiten sind vorbei. Was das Colour angeht, muss man fast erleichtert sein – in vielen anderen Dingen kommt bei uns alten Hasen durchaus Wehmut auf. Als Les und ich unsere Rockerkarrieren begannen, war die Gesellschaft noch sehr viel lockerer. Das mag komisch klingen, empfinden wir uns heute doch in allem, was wir tun, auf der Höhe der Zeit und blicken mitunter fast hochnäsig auf die spießigen alten Tage zurück. Was das Rockerleben angeht, muss man leider sagen, dass es vor 30 Jahren noch sehr viel freier, cooler und aufregender war.
Es gab Popper, das waren die gelackten Schmierlocken. Dann gab es die Punks – die haben gestunken und waren gegen alles. Und dann gab es uns, die Rocker. Die meisten von uns haben auch gestunken, aber wir waren unpolitisch. Wir waren weder für noch gegen die Atomkraft, die 68er interessierten uns nicht – Auf- oder Abrüstung auch nicht. Wir waren lediglich gegen diejenigen, die uns auf den Sack gingen. Ob nun wegen ihrer großen Schnauze, wegen ihres Colours oder nur, um ein Zeichen zu setzen.
Politisch motiviert war da gar nichts. Wir hatten nichts gegen Ausländer, nichts gegen Schwarze und auch nichts gegen Linke, Rechte oder Liberale. Es konnte ein winzig kleiner Auslöser sein, der uns aufregte – ein kleiner Rempler, ein blöder Spruch –, und dann hat es gescheppert. Und wenn es sich ausgescheppert hatte, war wieder gut. Wenn einer was aufs Maul bekommen hat, blieb die Sache im Kreise der
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