Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
auseinanderzuhalten. Einfach, um ein wenig Luft aus der Sache rauszunehmen. Aber nicht, um etwaige Straftaten zu ermitteln. Denn Straftaten waren das, was wir uns in den Kneipen lieferten, damals auch aus der Sicht der Polizeibeamten nicht.
Das war noch die Zeit, als am Freitag der Wochenlohn ausbezahlt wurde, und dementsprechend waren dann auch die Kneipen voll. Und da gab es Lokale, wenn da zehn Mann drin waren, kamen rund 200 Jahre Gefängnis zusammen. Wer sich unbedarft in so einen Laden verirrt hatte, bekam definitiv eins auf die Glocke – da wurde gar nicht lange gefackelt.
Die ganze Stadt war übersät mit Bierkneipen und alle diese Läden waren freitags voll. Wer es da schaffte, keinen Ärger zu bekommen, war nicht von dieser Welt. Es kam immer wieder zu denselben blödsinnigen Situationen. Man stand in einer Trinkhalle oder im Großmarkt und trank eine Kleinigkeit. In der Regel sah es dann so aus, dass uns irgendeiner wegen unserer Kutten anglotzte, und dann war eigentlich schon klar, dass so einer fallen musste.
Noch drei Jägermeister und dann kam auch schon der Standardspruch:
»Hey, was glotzt du so blöde?«
»Was?«
Klatsch!
Eine Woche später war man wieder am selben Ort und dann kam ein anderer Typ daher. Etwas größer, stärker, mutiger.
»Hey, habt ihr letzte Woche den und den umgehauen?«
»Ja! Warum?«
»Ist mein Kumpel!«
Wieder Klatsch. Und dann kamen in der Regel die Bullen und stellten ein paar Fragen. Keiner sagte was, und wenn man zu viel getankt hatte, ging man eben zum Schlafen in die Zelle. Man war für ein paar Stunden ruhiggestellt, aus Sicht der Beamten konnte die Geschichte am selben Abend nicht mehr eskalieren, weil keiner seine Kumpels holen konnte, um die Sache wieder geradezubügeln, und schon war der Fall erledigt. Ein Unrechtsbewusstsein hatte keiner. Die, die was aufs Maul bekommen hatten, waren auf Ärger aus gewesen, und jeder, der austeilt, muss auch mal einstecken. Also waren die Angelegenheiten, übers Jahr gesehen, immer irgendwie ausgeglichen und keiner der Beamten vermittelte einem auch nur ansatzweise das Gefühl, dass es sich um Straftaten hätte handeln können. Es war einfach Teil des Spiels, bei dem es Sieger und Verlierer gab.
Wenn so etwas heute geschehen würde – und dann auch noch mit Colours auf dem Rücken –, würden sich die SEK-Beamten vom Helikopter abseilen und am nächsten Tag wäre die Geschichte in der Tagesschau . Der beliebte Rockerkrieg wäre wieder in den Schlagzeilen, organisierte Kriminalität, mit Razzien, Hausdurchsuchungen und gut inszenierten Festnahmen. Es käme zu Gerichtsverhandlungen und der eine oder andere würde wegen versuchten Totschlags für acht Jahre abgehen. Für eine Geschichte, für die man sich vor 20 oder 30 Jahren noch nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle von den Polizeibeamten per Handschlag verabschiedet hätte. Die Welt hat sich verändert und wir haben das lange Zeit nicht registriert. Sie ist kleiner geworden. Enger und eingegrenzter.
Das erste Treffen
von Peter M.
Es gibt einen guten, einen sehr guten Grund, warum ich mich immer an jenen Tag erinnern werde, an dem die Freundschaft mit Les richtig begonnen hat. Das war der 30. April 1984 und der Tag, an dem meine Tochter geboren wurde. Ich war gerade auf dem Weg vom Krankenhaus zurück zu meiner Wohnung und saß, von diesem überwältigenden Ereignis wohl sichtlich berührt, an einer Bushaltestelle, als plötzlich ein Ghostrider vorbeikam und sich neben mich setzte. Les!
Klar, diesen Kerl kannte ich doch! Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, aber irgendwann 1982 sagte mein Kumpel Charly einmal, er müsse einen Typen vom Bahnhof abholen, der gerade seine 18 Monate Wehrdienst beendet habe, und ob ich ihn begleiten würde. Zuerst sei er beim Jägerbataillon in Flensburg und danach bei einem Panzerbataillon in Bremen stationiert gewesen. Cooler Typ, ein Rocker wie wir – klarer Fall, ich war dabei. Was ich dann dort auf dem Bahnsteig zu sehen bekam, ließ mir erst einmal den Atem stocken: eine außergewöhnliche Erscheinung mit Irokesenschnitt auf der Birne und voll gepflastert mit den abartigsten Tattoos. Den einen Arm bedeckte fast vollständig ein Spinnennetztattoo, so etwas hatte ich noch nicht gesehen – weder in der Kombination noch in der Anzahl der Tätowierungen. Heute ist das nicht mehr so ungewöhnlich. Ich schätze mal, dass David Beckham mehr Tattoos hat als Les, aber damals war das echt eine Ansage.
Zu jener Zeit trug noch
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