Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
dein Lokal. Das will auf Dauer einfach keiner sehen!
Also ließen wir Personal in unserer Kneipe arbeiten, was jedoch auch nicht so viel half, weil wir ständig Anrufe bekamen, in denen uns atemlos geschildert wurde, dass es gerade wieder Stress mit oder zwischen den Kunden gab. Spaß machte die Sache jedenfalls keine.
Nebenbei hatten wir von den Rücklagen aus unserem Bordelljob auch noch in ein paar Tattooläden investiert. Das heißt, wir mieteten einen Schuppen an, rüsteten den Laden aus, setzten einen Tätowierer rein und fertig war die Geschäftsidee. Und um nicht ganz aus der Übung zu kommen, jobbten wir an Wochenenden mitunter auch noch als Türsteher in verschiedenen Diskotheken und verdingten uns als Schauspieler. Richtig gelesen: Schauspieler. Vielleicht nannte man das auch Statisten, aber auf alle Fälle hatten wir einen großen, aus heutiger Sicht doch sehr peinlichen Auftritt als Motorradrocker an der Seite von Bruno Eyron in der Serie »Balko«. Wer das noch irgendwo als Video stehen hat, soll mal reingucken: Die Rocker, das sind wir!
An dieser Stelle bietet es sich vielleicht an, ein wenig über die Arbeitsmoral von Rockern zu reden. Der eine oder andere Leser mag sich vielleicht fragen, warum Rocker ständig irgendwelche Läden haben – Tattooshops, Kneipen, Puffs, Motorradläden etc. Die Antwort auf diese Frage ist einfach: weil wir mit unserer Abkehr von einem normalen bürgerlichen Leben kaum in der Lage sind, nach bürgerlichen Maßstäben von Montag bis Freitag in ein Büro oder auf Schicht zu gehen. Natürlich gibt es viele Brüder, die genau das tun – bei den Bandidos hatten wir sogar einen Richter im Club. Richtig gelesen – einen Richter!
Dann gibt es die Brüder, die eine 40-Stunde-Woche sehr wohl auf die Reihe bekommen würden, die aber entweder dank der Unterstützung einiger Polizeibesuche beim Arbeitgeber ihre Jobs verloren haben oder aufgrund ihres Aussehens gar keinen mehr bekommen. Denn ein Rocker zieht sich im Gegensatz zum Fußballfan oder Hooligan montags nicht um. Er fährt in Montur auf Schicht und er klebt bei seinen Bewerbungsgesprächen natürlich auch nicht seine Tattoos ab. Und dann wird es häufig schon schwierig.
Wie oft wurde Les und mir schon unser Berufsleben schwer gemacht. Unser Freund und Kumpel Frank L., der uns angestellt hat, bekam schon mehrfach Besuch von der Polizei. Rein informativ natürlich – falls er nicht wusste, welche Staatsfeinde er da in seinem Betrieb angestellt hatte. Er wurde auch schon zu vertraulichen Gesprächen gebeten, in denen man ihn tatsächlich fragte, ob er uns unter Zwang oder Androhung von Gewalt angestellt hätte. Ob wir ihn vielleicht erpressten? Oder sogar seine Familie?
Der Junge kennt uns und hat erfahren, was es bedeutet, uns als Freunde zu haben. Wer uns als Freund hat, braucht keinen zweiten. Auf unsere Solidarität und Loyalität kann er sich verlassen und das weiß er auch. Und wir wissen es umgekehrt. Und trotzdem müssen wir für unser Geld arbeiten – worüber wir mit Frank noch einmal sprechen sollten …
Es wird behauptet, dass wir – Les und ich – ausländische Billigarbeitskräfte beschäftigen, und es wird auch so getan, als ob das unsere Firma sei, die wiederum zu den Bandidos gehörte. Das Ganze fuße auf polizeilichen Abhörprotokollen, die auf wundersame Weise Journalisten zugespielt wurden. Unser Chef hat diese Firma, bei der wir beschäftigt sind, seit mehr als zehn Jahren. Er ist nicht Member bei den Bandidos und er muss auch nicht an den Club bezahlen. Wenn dem so wäre, hätten dann diese ganzen Überwachungsmaßnahmen nach so vielen Jahren nicht endlich einmal zu Festnahmen im Rockermilieu führen müssen? Er ist einfach nur ein Freund, der uns einen Job bietet. So etwas gibt es, ob man es glaubt oder nicht.
Frank indes weiß mit solchen Drucksituationen umzugehen, aber nicht jeder Bruder kann sich auf solche loyalen Arbeitgeber verlassen. In unserem Fall wurden auch schon die Kunden unseres Bosses von den Behörden angesprochen. Und da wurde dann leise fallen gelassen, dass die Firma XY ja mit Verbrechern und äußerst gefährlichen Rockerbossen arbeiten würde. Das sind die feinen Nadelstiche, die viele Rocker – besonders wenn sie in den großen Clubs sind – aushalten müssen.
Wenn sie unsere Telefone abhören, was sie ja mit Sicherheit tun, müssten sie feststellen, dass wir tatsächlich arbeiten. Aber das wiederum passt nicht in das Bild eines Polizisten, der glaubt, kurz vor der
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