Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
Show wurde es nichts und die Voyeure mussten enttäuscht mit ihren Kameras und Fotoapparaten abziehen.
Und jedes Mal frage ich mich erneut, wie manche Medienvertreter nachts eigentlich schlafen können. Sobald irgendwo etwas passiert, stehen sie – die Stirn voller Sorgenfalten und den Kopf bestürzt zur Seite geneigt – vor der Kamera, um ergriffen von einem Ereignis zu berichten, das die Menschen zu Hause erschüttern, beunruhigen und ängstigen soll. Man könnte es den Reportern tatsächlich abnehmen, dass sie es wirklich ernst meinen. Dann aber sieht man die Enttäuschung auf ihren Gesichtern, wenn von ihnen prophezeite Kriege oder Auseinandersetzungen doch nicht stattfinden. Weil die Beteiligten vielleicht gar nicht so geil auf Gewalt sind, wie immer berichtet wird. Zumindest sind sie nicht ganz so geil darauf wie manche Berichterstatter!
Berichterstatter, die mitunter dann Bücher über Rockerkriege schreiben, um mit uns und dem, was wir angeblich alles anstellen, ein gutes Geschäft zu machen. Diese vermeintlich investigativen Journalisten saugen wie Zecken an dem Rockermythos, und deren Geschichten sind häufig nicht viel mehr als Selbstzweck. Sie schaffen sich über uns ihre berufliche Daseinsberechtigung, und das kann man in Ordnung finden oder auch nicht.
Wenn dann – wie nach dem Prozess in Münster – zwei Brüder für eine lebenslange Strafe in Haft gehen müssen, ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich um diese kümmert und sie unterstützt. In Deutschland indes spricht man dann sofort von Strukturen der organisierten Kriminalität. Aber muss man für diese Art von Hilfe tatsächlich leiblich verwandt sein? Mir wird ganz mulmig, wenn ich mir vorstelle, dass all die Inhaftierten ausschließlich von ihren Familienangehörigen abhängig sind. Seine Familie kann man sich nicht aussuchen – seine Freunde und Brüder indes sehr wohl. Und für viele von uns ist der Club im Laufe der Jahre mehr geworden, als viele Familien je geben könnten. Aber auch das zählt in den Augen unserer Politiker, Justizbehörden und Journalisten nicht. Vielleicht weil sie es nicht kennen …
Dass es auch in einem Rockerclub wie den Bandidos immer wieder zu Tiefpunkten kommen muss, liegt auf der Hand – schließlich sind auch wir, sosehr wir uns bisweilen außerhalb des Mainstreams sehen, doch auch ein Abbild der Gesellschaft. Das mussten wir zu unserem Leidwesen im Fall unseres ehemaligen Vice-Presidentes Diesel sehen und das wurde uns Jahre später in Münster noch einmal vor Augen geführt, als wir es mit einer miesen Wanze aus den eigenen Reihen zu tun bekamen.
Der Fall fing im Grunde einigermaßen harmlos an. Im Jahr 2007 stellte sich heraus, dass es in unserem Chapter in Münster zu Unregelmäßigkeiten in der Kasse gekommen war. Nach einigen Nachforschungen war recht bald klar geworden, dass der dortige Secretary in die Clubkasse gegriffen hatte. Wie sich herausstellte, hatte sich der Vogel nicht nur über ein Jahr hinweg die kompletten Mitgliedsbeiträge in Höhe von etwa 10.000 Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet, sondern auch noch weitere 3000 Euro abgezogen. Dafür hatte er Unterlagen gefälscht und im Fall der 3000 Euro auch noch behauptet, das Geld habe er sich in Absprache mit dem Chapter-Presi ordentlich geliehen. Nun, der war zu jener Zeit im Urlaub, und als er zurückkam, war schnell klar, dass da einer ein falsches Spiel getrieben hatte.
Der feine Herr Secretary wurde daraufhin zur Rede gestellt – er räumte alles ein und versprach, das Geld zurückzuzahlen, und gab den Statuten des Clubs entsprechend seine beiden Harleys als Pfand ab. So weit, so gut.
Wie wir später erfuhren, lieh er sich dann zunächst einmal die fehlenden 13.000 Euro von seinem Schwager, der hierfür einen Kredit aufnehmen musste. Aber auch dieses Geld bekamen wir nicht zu sehen – sein Schwager übrigens auch nicht mehr. Mit nunmehr insgesamt 26.000 Euro Schulden an der Backe hatte unsere Wanze eine ganz neue, viel schlauere Idee: Er machte sich zum Kronzeugen gegen seinen Club, der kleine Feigling holte sich einfach Hilfe vom Staat. Und der nahm unsere Wanze natürlich mit offenen Armen auf.
In der Folgezeit schien der Herr Secretary so ziemlich alles zu bestätigen, was die Ermittler ihm in Frageform auf den Tisch legten. Und noch vieles mehr. Les hatte mit einem Mal einen angeblichen Mordauftrag an einem Supporter an der Backe und mir hatte der Schleicher die Geschichte mit den tödlichen
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