Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
Schüssen in Ibbenbüren angedichtet.
Der Typ schien bei allem mit dem Kopf zu nicken: Drogenhandel, Geldwäsche, Schutzgelderpressungen, Prostitution, Waffenhandel – Mordaufträge! Unsere Telefone wurden zwei Jahre lang abgehört, was übrigens zu den Protokollen führte, die drei Reporter nun als Grundlage für ihr »Rockerkrieg«-Buch genommen haben.
Wir selbst hatten davon natürlich keine Ahnung und erfuhren erst von der ganzen Aktion, als sie nach zwei Jahren wieder eingestellt wurde und wir ein Schreiben erhielten, dass die Ermittlungen gegen uns eingestellt worden seien. Eingestellt, weil eben nichts von all dem stimmte, was die Wanze gegenüber der Polizei behauptet hatte.
Der Vogel war wohl rund 30-mal vor Gericht als Kronzeuge und jedes Mal stellte sich heraus, dass der Wichtigtuer die Unwahrheit gesagt hatte. Eine peinliche Gerichtsverhandlung jagte die nächste, bis man endlich auf den Trichter kam, dass da einer den Kronzeugen spielte, der einfach nur Schiss hatte, weil er dem Club 13.000 Euro schuldete und diese nicht zurückzahlen konnte …
In Münster indes wurde es richtig haarsträubend. Aus der Sache mit den Harleys, die unsere Wanze als Pfand hinterlassen hatte, wurde eine räuberische Erpressung gestrickt. Der Münsteraner Presi, dem man eigentlich gar nichts nachweisen konnte, wurde zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt – weil er, wie das Gericht befand, als Presi schlichtweg von der Sache gewusst haben musste. Indizien und Beweise gab es keine – in so einem Fall müssen dann auch einmal Mutmaßungen genügen.
Der Vice-Presi Münster erhielt zwei Jahre und sechs Monate, der Sargento von Münster drei Jahre und drei Monate und ein weiteres Member vier Jahre und drei Monate. Die 13.000 Euro musste der Vogel nicht zurückbezahlen, dafür bekam er per Gerichtsbeschluss seine beiden Harleys zurück.
Um das Ganze noch einmal zusammenzufassen: Ein Typ klaut 13.000 Euro, kann diese nicht zurückbezahlen und stellt sich deswegen als Kronzeuge in den Schutz des Staates. Eigentlich hat er gar nichts zu bezeugen, deshalb stellt er einfach wilde Behauptungen auf. Es kommt zu zweijährigen Abhörmaßnahmen, die naturgemäß nichts ergeben – weil der Vogel eben alles erfunden hat. Es kommt darüber hinaus zu unzähligen Gerichtsverfahren, in denen auch nur festgestellt werden kann, dass die Wanze gelogen hat, und am Ende werden eben ein paar Männer aus einem Chapter verurteilt, weil sie seine Harleys als Pfand genommen haben. Der Vogel muss das Geld nicht zurückbezahlen, das er gestohlen hat, bekommt seine Harleys zurück und darf auf Staatskosten in das Zeugenschutzprogramm. Seine Lügengeschichten indes haben – außer sündhaft teuren Abhörmaßnahmen und Gerichtsverfahren – nichts erbracht. Und das soll nun also die Arbeit von Ermittlungsbehörden in einem Rechtsstaat sein. Na, dann herzlichen Glückwunsch. In der freien Wirtschaft wären bei solchen Betriebsergebnissen garantiert »Köpfe gerollt« …
Der kleine Bruder
von Les H.
Im Oktober 2012 standen wir bereits zum dritten Mal am Grab unseres Bruders Eschli. Der Schmerz über diesen Verlust will einfach nicht weniger werden. Er fehlt uns immer noch, dieser Junge, der für Peter und mich wie ein Sohn war, und es ist immer noch schwer zu glauben, dass wir wegen so einer blöden Geschichte einen unserer besten Jungs verloren haben.
Eschli kam aus einer Sinti-Familie und war ein Heißsporn, wie ich selten einen kennengelernt hatte. Aber – und das hob ihn von vielen anderen ab – einer, der das Herz am richtigen Fleck trug. Der Junge hatte seine »Karriere« bei den Schalker Hools gemacht, bevor er mit Anfang 20 bei uns vorstellig wurde. Wir spürten damals sofort, dass uns da ein Wildpferd gegenüberstand, das nur sehr schwer zu bändigen sein würde, spürten aber auch, dass Eschli einer war, der dich nie bescheißen, verarschen oder hintergehen würde.
Das erklärten uns damals die Jungs von der Gelsen-Szene, allen voran Erich, die Eschli lange vor uns kannten. Wir haben ihn kennengelernt, als er 16 Jahre alt war – auf der alten Schalker Glückauf-Kampfbahn. Da hatte er uns schon im Auge, wie er uns später einmal erzählte, denn wir waren offenbar so etwas wie Vorbilder für ihn.
Wir hätten zahlreiche gute Gründe gehabt, den Burschen schon während seiner Probezeit wieder aus dem Club zu werfen, so verrückt war dieser Junge damals. Und ich habe mich seit seinem Tod oft gefragt, warum wir ihn nicht rausgeschmissen
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