Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
plötzlich um Politik und Machtspielchen. Und dann geht es auch schon los: Wenn die das machen, dann müssen wir das auch. Wenn die Mitglieder von uns aufnehmen, um uns zu schwächen, dann tun wir das auch. Dass man sich hierbei in erster Linie Verräter ins Haus holt und sich selbst damit schwächt, merkt man erst sehr viel später. Früher ging es nur um Qualität – und dann, mit einem Mal, nur noch um Quantität.
Das betrifft letztlich auch die Supporter-Clubs. Ich will da niemandem Unrecht tun und es gibt wirklich erstklassige Unterstützer, die einzig und allein das Problem haben, dass sich nicht alle ihre Mitglieder Harleys leisten können. Von diesen Clubs spreche ich hier nicht, denn das sind in der Regel auch diejenigen, die nach einer gewissen Zeit ganz zu den Bandidos wechseln. Gleichwohl verliert die Clubführung durch die Supporter-Clubs irgendwann den Überblick. Und es werden Dinge unter deiner Farbe betrieben, die du in deinem eigenen Club niemals dulden würdest. Oder es passiert, dass ein Supporter-Club in einem entscheidenden Moment den Schwanz einzieht, und dann färbt das auf den Mutterclub ab. Dann heißt es, die Bandidos seien Feiglinge, und das ist ein Vorwurf, mit dem ein gestandener Rocker nun wirklich nicht leben kann.
Und auch der Bürger kann letztlich nicht zwischen uns und einem Supporter-Club unterscheiden. Wenn da Bockmist passiert, fällt es letztlich immer auf uns zurück.
Aber wie die 81er mit besagtem Roger umgegangen sind, der sich bei seinen Reisen zwischen den Clubwelten auch noch einen billigen Rückfahrschein aufbewahrt hatte, stieß nur noch auf Unverständnis. Wir hatten schon den eigentlich unverzeihlichen Fehler gemacht, diesen Kerl bei uns aufzunehmen. Dass ihn die Angler ein zweites Mal – nach seinem Verrat auch an Rot-Weiß – in ihre Arme schlossen, konnte indes keiner mehr nachvollziehen. Und am Ende war uns allen klar, dass wir nach dieser Sache mit solchen Leuten auch nicht mehr verhandeln würden.
Stellt sich die Frage, wen das Scheitern dieses Friedensabkommens denn nun wirklich geschockt hat. Die ermittelnden Behörden sicher nicht, und auch der eine oder andere Medienvertreter dürfte aufgeatmet haben, als es mit dem »Waffenstillstand« wieder zu Ende war. Man muss einfach begreifen, dass sich mit uns gute Geschäfte machen lassen. Da wir offiziell der organisierten Kriminalität zugerechnet werden, wird natürlich vonseiten des Staates an nichts gespart. Da geht es um Millionenbeträge.
Ermittler müssen – oder dürfen (?) – aufwendige Dienstreisen ins Ausland machen. Um zu durchschauen, wie die Bandidos oder andere 1%er-Clubs funktionieren, ist es doch selbstverständlich, dass zuständige Polizeibeamte in die USA fliegen müssen. Das versteht sich doch von selbst! Von den Arbeitsplätzen, die aufgrund unserer Gefährlichkeit geschaffen werden mussten, gar nicht zu sprechen. Wir reden auch nicht von den Karrieren, die sich für Polizisten, Richter oder Staatsanwälte aufgetan haben, die bei Ermittlungen gegen Motorradclubs ihren Mut und Einsatz bewiesen haben. Und so was soll man dann einfach herschenken, indem die Rocker auf die blödsinnige Idee kommen, Frieden zu schließen?
Aber um es noch einmal zu verdeutlichen: Nach dem Friedensschluss von Hannover wurden auf beiden Seiten Fehler gemacht. Vielleicht waren wir alle noch nicht so weit, wie wir geglaubt hatten.
Die Realität
von Les H.
Die Zeiten haben sich geändert. In unseren Anfängen und auch in den Jahren danach konnte man sich nach einer gepflegten Keilerei unter Rockern per Handschlag vom Wachpersonal der Ausnüchterungszelle verabschieden und direkt zur nächsten Schlägerei weiterziehen. Heute indes gehst du als Bandido für eine simple Ohrfeige im dümmsten Fall in den Knast.
Was früher allenfalls als einfache Körperverletzung bewertet wurde und nur im äußersten Einzelfall ein Gerichtsverfahren nach sich zog, kann heute als versuchter Totschlag gesehen und mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Jede Maulschelle landet heute innerhalb von Minuten auf YouTube und geht durch die Welt. Wenn es ins Bild passt …
Ich denke, dass es auf jedem Münchner Oktoberfest mehr Schlägereien gibt als in der bundesweiten Rockerszene. In den 16 Tagen bierseliger Gaudi hatte die Polizei im Jahr 2012 mehr als 2000 Einsätze gezählt. Es kam zu 469 Festnahmen und zu 439 Anzeigen wegen Körperverletzungsdelikten, darunter 119 gefährliche Körperverletzungen! Körperliche
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