Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
wechselte. Vonseiten der Angler konnte man daraufhin immer wieder hören, was wir da für einen miesen Penner und Verräter aufgenommen hätten. Und ich sage es ungern – die Rot-Weißen hatten recht. Der Typ war auch bei uns scheiße und stand kurz vor seinem Rausschmiss. Dem entkam er nur, indem er selbst seine Farben niederlegte, um dann wieder bei seinen alten Kumpanen anzuklopfen. Und was passierte mit diesem Roger? Er wurde tatsächlich wieder bei Rot-Weiß aufgenommen. Von den Anglern zu den Bandidos und wieder retour! Nach dieser Aktion waren wir uns endgültig einig, dass man mit den Anglern nun wirklich nicht mehr verhandeln musste. Und zu halten war auch nichts mehr – schon gar kein Friedensabkommen!
Für Rockerehre ist in einem Wettrüsten zwischen den Clubs im Grunde kein Platz mehr. Wer nur noch ein Ziel im Kopf hat – den Konkurrenten auf Teufel komm raus zu übertrumpfen –, muss Begriffe wie Ehre, Verlässlichkeit und Geradlinigkeit über Bord werfen. Und das ist eine Entscheidung, die getroffen werden muss. Geht es mir noch um Werte oder geht es mir nur noch um Größe und Dominanz? Und wenn ich mich dann entschieden habe, muss ich mich doch fragen, was mich als Rocker überhaupt noch ausmacht. Bin ich noch ein Mann, dem Abmachungen etwas wert sind, oder verhalte ich mich am Ende vielleicht doch nur noch wie jeder opportunistische Anzugträger in Politik und Wirtschaft?
Und auch wir müssen uns letztlich unangenehme Fragen gefallen lassen. Beispielsweise ob wir uns von diesem Wettlauf vielleicht haben anstecken lassen. Haben wir – von den Anglern manchmal unter Zugzwang gebracht – immer die richtigen Entscheidungen getroffen und nur solche Männer aufgenommen, die es auch wert waren, unsere Farben zu tragen? Oder sind wir als Antwort auf die Politik der 81er den einen oder anderen faulen Kompromiss eingegangen?
Grundsätzlich gilt doch – und das haben wir an anderer Stelle bereits betont –, dass ein Farbenwechsel in der Weltclubliga unter Gesichtspunkten wie Würde und Ehre eigentlich kaum möglich sein kann. Und es wechseln in der Regel auch nicht die, die sich bis dahin zu 100 Prozent mit ihrem Club identifiziert haben. Es wechseln vielmehr häufig jene Männer, die ihr Dasein über das Tragen einer Kutte definieren. Das sind jene, die nur stark sind, wenn sie Farben tragen, und denen kann es am Ende auch egal sein, welche Farben das sind. Wenn du zu den Bandidos oder den Outlaws gehst, weil du dich mit deren Tradition und Philosophie identifizierst, dann wird dir ein Farbenwechsel vom Kopf und Herzen her kaum gelingen. Wenn es dir jedoch nur darum geht, dass du ein Colour auf dem Rücken kleben hast, ist dieses in der Tat auch austauschbar. Und dann wechselst du womöglich auch in einen Club, der für den Tod eines ehemaligen Bruders verantwortlich ist.
Ich persönlich kenne viele Jungs, die das nie im Leben könnten. Die würden noch eher vollständig aus der Szene aussteigen. Und wenn ich mir vorstelle, wie viele Bandidos-Tattoos viele meiner Brüder übermalen lassen müssten, bräuchten manche bis zu einem Wechsel zu den Anglern mindestens ein Jahr Vorlauf, und das würden sie unter diversen Tätowiernadeln verbringen. Von der Hirnwäsche, die es in solchen Fällen bräuchte, gar nicht zu reden. Und wie würde man so einen Wechsel eigentlich seinen Kumpels erklären, die in den Knast gegangen sind, weil sie die Ehre ihrer Farben gegen die anderen verteidigt haben?
»Sorry, Jungs, dass ihr hier noch fünf Jahre hinter Gittern abreißen müsst. Danke für eure Loyalität und euren Mut, aber wir können euch leider nicht mehr besuchen kommen, weil wir nach drüben machen und ab morgen lustige Angler sind!« Und dann läufst du also zu Rot-Weiß über, die in der Vergangenheit vielleicht deinen Bruder erschossen oder erstochen haben, setzt dich neben sie an die Theke des Clubheims und stößt mit ihnen auf die neue Bruderschaft an? Einer für alle, alle für einen und das Ganze jetzt bitte einfach nur im neuen Kostüm?
Das ist eine Frage des Charakters. Les und ich glauben, dass man als Mitglied eines Weltclubs vielleicht aussteigen, aber niemals wechseln kann. Früher hat es so etwas gar nicht gegeben. Aber das war eine Zeit, in der wir als Ghostrider auch längst nicht so im Fokus standen, wie es später als Bandidos der Fall war. Einen Verräter hätte man niemals aufgenommen – so verzweifelt konnte ein Club gar nicht sein.
Dann, mit dem Wechsel zu den Bandidos, ging es
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