Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
umgewühlt und – einer gewissen fremdenfeindlichen Logik folgend – Mafia- oder Schutzgeldmotive vermutet. Dass diese ausländischen Mitbürger möglicherweise aufgrund ihrer Herkunft ermordet worden waren, stand in Ermittlerkreisen bis zum Schluss offenkundig nicht zur Debatte. Warum auch immer …
Stellt sich die Frage, wie es in diesem Land zu derart merkwürdigen Gewichtungen kommen kann. Auf der einen Seite sehen wir immer wieder im Fernsehen und Zeitungen die Bilder abgeführter Rocker oder von Clubheimen, die einer Razzia unterzogen wurden. Wir lesen und hören Aussagen, die sich auf die Bedrohung unserer Gesellschaft durch die immer weiter um sich greifende Rockerkriminalität beziehen. Und dann bleibt es komischerweise immer bei diesen Pauschalisierungen.
Vielleicht verstehe ich das auch alles falsch, aber wenn über die Jahre hinweg pausenlos von Rockerbanden und organisierter Kriminalität gesprochen wird, hätte es dann nicht irgendwann einmal zu Prozessen und Verurteilungen kommen müssen? Oder sind wir einfachen Jungs von der Straße tatsächlich so viel schlauer als die besten Ermittler, die dieses Land zu bieten hat?
Was ist denn, grob gesprochen, das Ziel der organisierten Kriminalität? Also, wir haben uns doch auch die knapp 90 Folgen der amerikanischen Mafiaserie Sopranos angeschaut – ein bisschen Bildungsfernsehen muss ja auch mal sein. Dort liegen Bündel von Geldscheinen unter dem Entenfutter verbuddelt und gut bezahlte Anwälte transferieren die Mafiakohle auf ausländische Nummernkonten. Und wir sollen smarter sein als Al Capone, der über die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in den Knast gewandert ist?
Was steckt dahinter, wenn nach all den Jahren der Telefonüberwachung, nach unzähligen Razzien, Hausdurchsuchungen etc. am Ende ein paar Küchenmesser und ein paar Gramm Kokain auf dem Tisch liegen? Hätten die Ermittlungsbehörden nicht längst unsere Auslandskonten finden müssen, würden wir tatsächlich wie die Mafia arbeiten? Oder sind die Rockerbanden heutzutage derart schlau, dass die Behörden uns nicht mehr auf die Schliche kommen? Ich würde das ja sogar als Kompliment auffassen, aber es ist nun mal leider nicht so. Was also ist die organisierte Kriminalität von Rockerbanden, außer dass sie lukrative Polizeijobs und solide Auflagenzahlen garantiert?
Weshalb geht der Vice-Presidente Europe der Bandidos von Montag bis Freitag in Gelsenkirchen einer geordneten Arbeit nach? Müsste er nicht vielmehr als großer Mafiaboss von früh bis spät in einem verrauchten Hinterzimmer sitzen und kriminelle Aufträge erteilen? Und vor allen Dingen koordinieren, wo und wie die ganzen Drogen, Waffen und gestohlenen Luxusautos (wahlweise auch Luxusuhren) verteilt oder außer Landes gebracht werden? Wo sind die Millionen, die wir uns angeblich auf kriminelle Art und Weise erarbeitet haben? Denn wenn dem alles so ist, dann macht man den ganzen Scheiß doch nur, um auch wirklich reich zu werden. Wenn ich es riskiere, wegen eines Überfalls für ein paar Jahre in den Knast zu gehen, dann nehm ich doch eine Bank oder ein Spielcasino hoch – aber doch nicht den Eisverkäufer, der mit seiner Schrottlaube bimmelnd durchs Viertel fährt.
Im vergangenen Jahr konnte man bei der Frankfurter Neuen Presse schön nachlesen, wie das »Geheime Drehbuch für den Antirockerfeldzug« der Polizei aussieht. Auf 64 Seiten – unter dem Siegel »VS – nur für den Dienstgebrauch« – soll beschrieben sein, wie man gegen uns vorgeht. Zitat: »Ein offensives und konsequentes Auftreten und Vorgehen stärkt die Rolle der Polizei gegenüber den Rockergruppen insgesamt und führt zu einer Verunsicherung der Szene.«
Dagegen kann man als braver Staatsbürger nicht viel einwenden, und dass die Polizei offensiv und konsequent auftritt, muss kein Fehler sein. Aber da wären wir dann doch wieder beim Eingang dieses Kapitels: Sind wir die größere Bedrohung als beispielsweise die rechtsextreme Szene? Oder als die sogenannte Russenmafia?
Interessant ist in diesem vertraulichen Bericht auch, dass vonseiten der Behörden eine »proaktive Medienarbeit anzustreben« sei. »Besonders geschulte und fachkundige Kräfte« sollten mit Journalisten reden, damit sie – so schreiben, wie die Ermittler es gerne hätten? Mission accomplished! Der Punkt kann abgehakt werden, das ist längst geschehen.
Dabei könnte man die ganze Sache auch einmal ganz anders hinterfragen: Mit wem werden städtische Beamte, Bürgermeister,
Weitere Kostenlose Bücher