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Zigeuner

Zigeuner

Titel: Zigeuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauerdick Rolf
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Zugehörigkeit und der Gemeinschaft unter Gleichen. Der neue Rom wähnte sich in der Gewissheit, vor dem himmlischen Herrn nicht zum namenlosen Heer der Berufenen, sondern zur exklusiven Schar der Auserwählten zu zählen.
    Doch um welchen Preis?
    War das Leitwort von Fregenal, »Somos iguales, somos diferentes«, noch ein Ausdruck der Suche nach ziganer Identität inmitten einer Gadsche-Welt, so gilt das Motto für die missionierten Pfingstkirchler nicht mehr. Sie suchen nicht mehr, denn sie haben gefunden. Sie brauchen keine Gottesmutter mehr, die sie erhört. Sie sind die neuen Iguales, die unter ihresgleichen längst erhört worden sind. So mutieren die Verachteten zu Verächtern, jenen Diferentes gegenüber, die in ihren Augen noch immer der Sünde anhängen, die noch immer zu Surna und Davul tanzen, während die Hallelujas zu Keyboardgedudel von ihrer Errettung singen wie ein drittklassiger Harlemer Gospelchor. Doch damit die Bekehrten auch bekehrt bleiben und nicht vom rechten Weg abweichen, braucht es neue Organisationen, neue Strukturen und Verwaltungen. Und neue Menschen. »Um die christliche Erziehung unserer Kinder zu gewährleisten«, sagt Florin Cioabă, »müssen wir unsere Arbeit in der Kirche auch in die Kindergärten und die Grundschulen tragen.« Dazu braucht es neue Erzieherinnen und neue Lehrer und neue Führer. Und einen alten Patriarchen, der weiß, dass es auf dem Weg ins Himmelreich keinen guten Eindruck macht, sich im Hof vor einer 300 000-Euro-Limousine porträtieren zu lassen.
    Während unserer Audienz unterhalb des Bildnisses seines Vaters, hoch zu Ross als Tempelritter mit goldener Krone, wirkte Florin Cioabă auf eine traurig stimmende Weise satt und müde. Alle Fragen zur Lage der Zigeuner hatte er mit der Routine eines Funktionärs beantwortet, doch in seinen Augen war nichts zu lesen als eine große Mattigkeit. Eine leblose Müdigkeit, die ihren Grund nicht in einem Mangel an Schlaf hatte. Die Müdigkeit schien mir tradiert und weitergegeben von Generation zu Generation. Sie wog schwer wie eine erdrückende Last. Ich glaube, selbst ein Dutzend edle Maybachs im Hof hätten dem König kein Gramm von seiner Müdigkeit genommen. In einem kleinen Moment nur erlebte ich ihn wach. Als er von meinem Freund Lucian wissen wollte, wo man die Hemden mit Kollar, dem ringförmigen katholischen Priesterkragen, kaufen kann.
    Ich wollte weg.
    Ich dachte an Ronald Lee, dachte an »E zhivindi yag«, an »das lebendige Feuer«, über das Lee so wunderschön schrieb, es sei »jener Funken von Trotz, der zum Geburtsrecht eines jeden gehört. In manchen ist es erloschen, in anderen ist es nur schwelende Glut. Doch in einigen wenigen lodert es auf zu einem Inferno von Leidenschaft, Kreativität, Rebellion und nur zu häufig auch Gewalt«.
    Ich wollte weg. Zurück zur Altenka der Goldenen, zurück zu Mutter Rosa und ihrem sechsten Sinn. Ich sehnte mich zurück nach Fregenal, zu Lucas, dem Büßer mit den blutigen Knien, zu Natalio mit der dicken Goldkette und zu den Liedern Camaróns, der »Soy gitano« sang, wenngleich nur von einer CD.
    Es war Samstag. Die Uhr zeigte elf Uhr vormittags. Lucas Prado hatte seinen Bußgang beendet, seine Ketten abgelegt und rauchte. Ich stand mit José, Asier und einigen Gitanos vor der Bier- und Schnapsbude von Marcelo, der mit einem Lastwagen angereist war, um die Fiestabesucher mit Getränken zu versorgen. Hinter dem Ausschank stapelten sich die Flaschen Bacardi, Martini, Gin sowie teurer Ballantines und billiger spanischer DYC -Whiskey. Nicht zu vergessen die paar tausend Pullen Cruzcampo-Bier. Ich sprach Natalio Saavedra auf seine Halskette an, an der ein Medallion mit dem leidenden Antlitz Jesu baumelte. »Nein, nein«, meinte Natalio, er trage das Medallion nicht, weil er ein gläubiger Mensch sei. »Es gefällt mir einfach. Außerdem ist es aus Gold. Wenn ich mal in Schwierigkeiten stecke, lässt es sich gut verkaufen.« Dann schaute er mich an und fragte etwas unvermittelt: »Magst du Camarón?«
    »Klaro«, sagte ich, »auf der Fahrt hierher haben wir im Auto nur Camarón gehört. Frag meine Freunde José und Asier.« Die beiden spanischen Fotografenfreunde nickten. »Er war der Beste«, meinte José. »Hör dir ›Nana el Caballo Grande an‹, und es haut dich um. Er wird immer der Beste bleiben. Unerreicht und unerreichbar. Alle, die nach ihm kamen – vergiss sie.« Ich nickte bestätigend, obschon ich mir in der Sache kein Urteil erlauben konnte. Natalios Augen

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