Zigeuner
andere als erfreulich ist.« Verkehrte Welt: Die Zuhälter im Dortmunder Norden wurden von den Behörden jahrelang geduldet. Die wirklich bedrohten Roma, die einst vor Krieg und Verfolgung aus dem Kosovo geflohen waren und teilweise schon seit zwei Jahrzehnten bestens integriert mit ihren Kindern in der Bundesrepublik lebten, wurden abgeschoben.
Als immer mehr Prostituierte in die Wohngebiete drängten und immer mehr Freier im Viertel herumkurvten, als Luden und Schutzgelderpresser offen ihre Revierkämpfe austrugen und Frauen lebensgefährlich verletzten, als schließlich nicht nur die Muslime mit dem freizügigen Outfit der Huren ihre Schwierigkeiten hatten und Eltern ihre Kinder nur noch auf Umwegen in die Schulen schickten, reagierte die Stadt Dortmund auf die Proteste ihrer Bürger. Im Sommer 2011 schloss sie den Straßenstrich und erklärte das ganze Stadtgebiet zum Sperrbezirk, eine Maßnahme, die der sozialdemokratische Oberbürgermeister Ullrich Sierau zu einem »Akt der Notwehr« erklärte. Einen Tag nachdem die Fußballer der Dortmunder Borussia mit ihren Fans am Borsigplatz die Deutsche Meisterschaft 2011 bejubelten, rückten in der Ravensberger Straße die Bagger an. Frühmorgens rissen sie die Zäune der sogenannten »Verrichtungsboxen« ab. Zum Leidwesen der alteingesessenen Prostituierten, die mit einem »Marsch der Huren« vergeblich gegen die Schließung des Straßenstrichs protestierten. Die alarmgesicherten Sexparkboxen, in denen sie ihre Kunden in deren Autos bedienten, galten bundesweit als vorbildlich. Zudem sorgte die Präsenz von Sozialarbeiterinnen als Teil der als »Dortmunder Modell« bekannten Regelung des Straßenstrichs dafür, dass die Frauen vor gewalttätigen Kerlen einigermaßen sicher waren.
Ich hatte die Berichte über die grassierende Prostitution »hinter Hornbach«, wie man in Dortmund sagte, in den lokalen Medien regelmäßig verfolgt. Obwohl die Dortmunder Nordstadt von meinem Zuhause im Münsterland in einer knappen Stunde zu erreichen ist, hatte ich Fahrten zu den Roma lange gescheut. Gemieden gar. Recherchen im Rotlichtmilieu haftet etwas Deprimierendes an. Ich hatte kurz zuvor für das Kinderhilfswerk Die Sternsinger im indischen Bombay mit jungen Mädchen gearbeitet, mit halben Kindern, die von Menschenhändlern verkauft und zur Prostitution gezwungen worden waren. Dabei war ich mit Typen in Berührung gekommen, die bösartig waren. Denen wollte ich mich nie wieder aussetzen.
Irgendwann griffen die Dortmunder Verhältnisse von der Stadt auf das Umland über. Die Zeitungsmeldungen über Wohnungseinbrüche, Handtaschen- und Trickdiebstähle häuften sich. Seit dem Frühjahr 2011 verging kaum ein Tag, an dem die Leser nicht schon beim morgendlichen Blick in die Zeitung erfuhren, dass wieder Rentnern, vor allem betagten Damen, Bargeld, Portemonnaie oder Schmuck gestohlen worden war. Sehr oft unter Ausnutzung der Hilfsbereitschaft der Alten. Die Kriminalität nahm solche Ausmaße an, dass sich die Polizei in Nordrhein-Westfalen regelmäßig genötigt sah, Warnungen an den Einzelhandel auszusprechen. An den Schaufenstern und Eingangstüren der Geschäfte in meinem Heimatkreis Coesfeld im Münsterland klebten flächendeckend Hunderte Plakate mit der Aufschrift »Achtung Taschendiebe«. Die Kunden werden vor »Diebesbanden aus Südost-Europa gewarnt« und zur Wachsamkeit aufgerufen.
Weil in den letzten Jahren die Preise auf den internationalen Rohstoffmärkten in die Höhe schnellten, explodierte auch die organisierte Klauerei von wertvollen Metallen. Für Nordrhein-Westfalen verzeichnete das Landeskriminalamt in Düsseldorf mit über 5300 Metalldiebstählen 2011 mehr als doppelt so viele Fälle wie im Jahr zuvor. Gullydeckel wurden geklaut, Brückengeländer abmontiert und Erdungskabel herausgerissen. Bis heute sind Denkmäler und bronzene Skulpturen in den Innenstädten vor den Banden ebenso wenig sicher, wie Kapellendächer oder die Sanitäranlagen in Rohbauten. Selbst auf Friedhöfen werden flächendeckend Bronzevasen und Grableuchten kurzerhand abgeschlagen und abtransportiert. Freilich sind nicht alle Täter Roma. Lokale Kleinkriminelle versilbern des Öfteren mal eine Regenrinne aus Kupfer, und manche Dieberei geht auf das Konto von heimischen Drogenkranken, die ihre Sucht finanzieren. Wenn aber ständig Tätergruppen mit ganzen LKW -Ladungen voll hochwertiger Metalle geschnappt werden, so weisen die Berichte der Fahndungsbehörden immer wieder in Richtung
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