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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Türschwelle …«
    »Nehmen Sie Ihre Flasche und gehen Sie!« rief Mr. O'Beronne und drückte sie ihm in die Hände.
    Wieder vergingen zwei Jahrzehnte. James fuhr in einem Mustang-Cabrio vor und betrat das Geschäft. Der Laden roch nach Patchouli, und Poster von Schlagersängern hingen an der Wand. Neben Tischen, auf denen Wasserpfeifen und handgemachte Tonpfeifen lagen, erhoben sich Stapel alter Comic-Hefte.
    Mr. O'Beronne schleppte sich aus dem durch einen Perlenvorhang abgetrennten Nebenzimmer herein. »Sie schon wieder«, krächzte er.
    »So, so«, sagte James und sah sich um. »Es gefällt mir, wie Sie den Laden auf dem neuesten Stand halten, Mann. Echt stark.«
    Mr. O'Beronne starrte ihn giftig an. »Sie sind jetzt hundertvierzig Jahre alt. Wird Ihnen die Last dieses unnatürlichen Lebens nicht langsam unerträglich?«
    James starrte ihn verblüfft an. »Machen Sie Witze?«
    »Haben Sie denn immer noch nicht den Segen der Sterblichkeit begriffen? Daß es besser ist, nicht länger zu leben, als einem vorbestimmt ist?«
    »Wie bitte?« sagte James. Er zuckte die Achseln. »Ich habe allerdings einiges über materiellen Besitz gelernt … Materieller Besitz kann nur Trottel binden. Diesmal können Sie den Wagen nicht bekommen, es ist ein Leihwagen.« Er zog eine handgenähte Lederbörse aus seiner Jeanshose. »Ich habe ein paar gefälschte Ausweise und Kreditkarten.« Er warf sie auf die Theke. Mr. O'Beronne starrte die dürftige Ausbeute ungläubig an. »Das soll doch wohl ein Witz sein?«
    »He, das ist alles, was ich besitze«, sagte James freundlich. »Ich hätte damals in den Fünfzigern Xerox bei fünfzehn kaufen können. Aber als ich das letzte Mal mit Ihnen sprach, schienen Sie nicht interessiert. Ich dachte, Sie wissen schon, es wäre nicht die Menge, sondern der Geist des Handels.«
    Mr. O'Beronne faßte sich mit einer fleckigen Hand ans Herz. »Soll das denn niemals enden? Warum habe ich je Europa verlassen? Dort wußte man wenigstens, wie man eine Tradition in Ehren hält …!« Er hielt inne und wurde gallebitter. »Sehen Sie sich nur den Laden an! Eine Zumutung! Das kann man doch keinen Zauberladen nennen!« Er schnappte eine dicke, pilzförmige Kerze und warf sie auf den Boden.
    »Sie sind überspannt«, sagte James. »Hören Sie, Sie selbst haben doch gesagt, Geschäft ist Geschäft. Es ist aber nicht nötig, daß wir zwei ewig so weitermachen. Ich sehe ja, daß Sie nicht mit dem Herzen dabei sind. Bringen Sie mich doch mit Ihrem Großhändler in Verbindung.«
    »Niemals!« schwor Mr. O'Beronne. »Ich will mich nicht von einem unverfrorenen … Buchhalter ausstechen lassen.«
    »Ich dachte auch nicht an einen Wettkampf«, sagte James würdevoll. »Tut mir leid, daß Sie es auf diese Weise sehen.« Er nahm seine Flasche und ging.
    Die ihm zugestandene Zeit verstrich, und abermals pilgerte James zum Zauberladen. Die ganze Gegend war verfallen. Frauen in winzigen Hemdchen und Netzstrümpfen lauerten auf den Gehwegen, von den Ecken aus von Männern mit breitrandigen Hüten und eleganten polierten Schuhen beobachtet. James schloß die Tür seines BMW vorsichtshalber ab.
    Die früher mit Vorhängen geschmückten Fenster des Zauberladens waren jetzt schwarz übermalt. Über der Tür hing ein Reklameschild: PEEPSHOW. Eintritt 25c Nur für Erwachsene.
    Das frühere Durcheinander war aufgeräumt. Auf den Regalen an den Wänden lagen in Plastikfolie geschweißte Zeitschriften, die freizügigen Titelbilder glänzten unter dem bläulichen, sterilen Licht von Leuchtstoffröhren. Die alte Theke war einem langen Glasschrank gewichen, in dem Knotenpeitschen und Gleitmittel in verschiedenen Geschmacksrichtungen ausgestellt waren. Der nackte Boden schien an James' Gucci-Schuhen festzukleben.
    Ein junger Mann kam hinter einem Vorhang hervor. Er war groß und großknochig und hatte einen kleinen, sauber getrimmten Schnurrbart. Mit seiner glatten, wachsbleichen Haut sah er aus wie ein Wesen aus der Unterwelt. Er gestikulierte mit fließenden Bewegungen. »Die Peepshow ist hinten«, sagte er mit schriller Stimme, ohne James' Blick zu erwidern. »Sie müssen eine Wertmarke kaufen. 3 Dollar.«
    »Wie bitte?« sagte James.
    »3 Dollar, Mann!«
    »Oh.« James gab ihm das Geld. Der Mann reichte ihm dafür ein Dutzend Plastikmarken und verschwand sofort wieder hinter dem Vorhang.
    »Entschuldigen Sie?« sagte James. Keine Antwort. »Hallo?«
    Die Peep-Maschinen erwarteten ihn im hinteren Teil des Geschäftes. Sie standen in

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