Zikadenkönigin
versuchen, im Hafen einen zu kriegen. Ich werde schon was fummeln. Sie wissen ja, ich bin ein Bastler.«
McGinty schien unsicher, denn nun stand er in Turners Schuld. Plötzlich begann er zu strahlen. »Morgen abend ist beim Staatsrat Jimmy Brooke eine Party. Kennen Sie ihn?«
»Ich hab von ihm gehört«, sagte Turner. Er hatte Gerüchte über Brooke gehört: Hinweise auf Korruption, halb vergessene Skandale. »Er war ein großer Mann, als die Partei aufgebaut wurde, oder? Minister oder so.«
»Für Kommunikation.«
Turner lachte. »Das ist jetzt kein Spitzenjob mehr.«
»Nun, er kennt immer noch eine Menge Leute vom Film.« McGinty senkte die Stimme. »Und er hat eine Privatbar. Er steht mit der königlichen Familie auf gutem Fuße. Sie zahlen ihm sogar eine Apanage.«
»Yeah?« Turner hatte keine große Lust, in McGintys Freundeskreis mit reichen Rentnern aufgenommen zu werden, aber politisch gesehen war es nicht unklug. Ein Gespräch mit dem ehemaligen Kommunikationsminister konnte eine Menge Probleme lösen. »Okay«, sagte er. »Klingt ganz nett.«
Der Staatsrat Yang Amat Mulia Pengiran Indera Negara Pengiran Jimmy Brooke war eins der eigenartigen Relikte Bruneis. Er war ein britischer Steuerflüchtling und inzwischen in Brunei eingebürgert. Er war Ende der neunziger Jahre nach dem Ölcrash gekommen. Sein Reichtum hatte geholfen, den Schlag abzufangen und einen Sitz in der Regierung zu bekommen.
Größere und besser organisierte Regierungen hätten es sich zweimal überlegt, ehe sie diesen tauben, weißhaarigen Exzentriker aufgenommen hätten, ein verschlissenes Pop-Idol mit einem parasitischen Gefolge aus angekahlten Bohemiens. Aber der alternde Rockstar mit seinem verblaßten Ruhm paßte gut in die komischen Opern der winzigen Aristokratie Bruneis. Ihm gehörte das Bürohaus der ehemaligen Bank of Singapore, ein kampong von bemerkenswerter Ungezwungenheit, in dem unter Brooks adliger Nachlässigkeit die Sünde gedieh.
Der Monsunregen prasselte auf die Stadt. Brooks Handlanger, schmerbäuchige Leibwächter in ausgebeultem Drillich, hatten die Glastüren der Dachwohnung geschlossen und die Klimaanlage eingeschaltet. Fast hundert Gäste waren zur Party gekommen; die meisten waren europäische und australische Rentner. Sie besaßen die steife Geselligkeit von Exilierten, die sich schon viel zu lange kannten. Eine Handvoll geflohener Amerikaner, immer noch gepudert und mit reichlich fernsehgerechter Schminke, mampften an der langen Mahagonibar importierte Nüsse.
Die bruneiische Schauspielerin Dewi Serrudin hielt auf einer Rattancouch im Kreise ihrer Bewunderer Hof. Das Kino war im Westen eine untergehende Kunst, ermordet und zu Grabe getragen von Videofilmen; aber Bruneis seltsame Politik hatte dem Kino eine letzte Bastion verschafft. Turner, der sich aus der Ferne in die Schauspielerin verknallt hatte, schob sich zwischen zwei hoffnungsvollen Emigranten durch: ein stattlicher Madrasi-Produzent in Dhoti und Dschubba und ein ehemaliger Boxmanager aus Hongkong, der eine schwarze Smokingjacke aus Baumwolle trug.
Miss Serrudin, in einer Goldlamébluse und einem Rock aus antikem Kunstleder, spielte ihre Rolle voll aus. Sie schnatterte fröhlich und rauchte importierte Rothmanns in einer Jadespitze. Sie zeigte die rituelle Konzentration eines balinesischen Tänzers, der die uralten überlieferten Stellungen nachempfinden will. Und sie war älter, als er geglaubt hatte.
Turner trank seinen Whisky-Sour aus und gab das Glas einem von Brooks angekahlten Handlangern. Er fühlte sich deprimiert und einsam. Er wanderte langsam aus der Menge heraus und bewegte sich ohne bestimmtes Ziel durch die Gänge. Die Wände waren mit goldenen Schallplatten und Illustriertenfotos von Brooke und seiner Band behängt: glitzernde Jacken und hohe Absätze, die wehenden Haare von hinten mit Bogenlampen angestrahlt.
Turner sah eine Bibliothek und ein Billardzimmer, in dem zwei faltige, turbantragende Sikhs Pool spielten. Er ging weiter den Gang hinunter und blickte durch einen Bogengang in eine versenkte Nische, die dick mit unzerstörbarem alten Plüsch ausgelegt war.
Eine knochige junge Malaiin in schwarzen Jeans und Seidenjacke saß allein in der Nische. Sie las den New Musical Express vom letzten Monat. Das Blatt war mit der Überschrift ›Irres Popkonzert in Leningrad‹ aufgemacht. Sie hatte die Füße samt Sandalen auf einen Kaffeetisch gelegt. Daneben standen ein Krug und ein Eimer mit Eis auf einer Platte aus
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