Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Brunei war ein Commonwealth-Land mit einer britisch erzogenen Aristokratie. Der Sultan hatte Polopferde und Cricketplätze. Aber trotzdem, eine Prinzessin …
    »Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß ich aus Vancouver bin«, sagte er. »Sie wußten die ganze Zeit, wer ich bin.«
    »In Brunei gibt es nicht viele Chinesen in Holzfällerhemden.« Sie lächelte verschlagen. »Und mit solchen Stiefeln.«
    Turner betrachtete seine Beine. Er trug dicke, kniehohe Bergbaustiefel, glänzendes Leder und Schnallen. Seine Mutter hatte ihm die Stiefel gekauft. Sie war überzeugt gewesen, daß sie ihren Sohn nur so vor tödlichen Schlangenbissen im wilden Borneo bewahren konnte. »Ich habe versprochen, sie zu tragen«, erklärte er. »Familiensache.«
    Sie machte ein bedrücktes Gesicht. »Bei Ihnen auch? Das kommt mir ziemlich bekannt vor, Mr. Choi.« Nun, da die Barriere der Anonymität durchbrochen war, schien sie nervös. Ihre Annäherung kam knirschend zum Stehen. Sie hob die Musikzeitung. Die Seiten raschelten. Er sah, daß ihre Nägel bis aufs Fleisch abgekaut waren.
    Aus einem perversen Grund kam gerade dadurch Turners Libido voll auf Touren. Sie hatte eine eckige, unbeständige Ausstrahlung, die eine Menge Ärger ahnen ließ. Leider war sie genau sein Typ.
    »Ich kenne die Tochter des Bürgermeisters von Vancouver«, stieß er vor. »Aber die Version hier gefällt mir besser.«
    Sie erwiderte seinen Blick. »Es ist wirklich eine Schande mit den familiären Verpflichtungen …«
    Plötzlich stand der Staatsrat im Bogengang. Der ergraute Rockstar trug einen leichten beigen Leinenanzug und Manschettenknöpfe aus Rubinen. Er war ein ausgemergelter alter Raubvogel mit rheumatischen Augen und einem faltigen Hals. Das schneeweiße Kraushaar stand auf seinem Kopf hoch wie das Fell einer elektrisierten Katze.
    »Hoheit«, sagte er laut. »Wir brauchen einen vierten Partner zum Bridge.«
    Prinzessin Seria stand mit einer Leidensmiene auf. »Ich komme gleich«, rief sie.
    »Und wer ist dieser junge Herr?« sagte Brooke und lächelte unsicher. Er hatte ein Gebiß.
    Turner trat näher. »Turner Choi, Tuan Staatsrat«, sagte er laut. »Es ist mir eine Ehre, Sir.«
    »Was ist Ihr kampong, Mr. Chong?«
    »Mr. Choi arbeitet in der Roboterwerft!« sagte die Prinzessin.
    »In der was?- Werft? Oh, ausgezeichnet!« Brooke schien erleichtert.
    »Ich würde gern mit Ihnen sprechen, Sir«, sagte Turner. »Über Kommunikation.«
    »Worüber?« Brooke legte eine Hand hinters Ohr.
    »Das Telefonnetz, Sir! Eine Verbindung nach draußen!«
    Die Prinzessin zuckte zusammen. Aber Brooke, der immer noch nicht verstand, nickte unsicher. »Ah, ja. Sehr interessant. Ich werde mit meinem Gefolge mal reinschauen, wenn die Anlage läuft! Ich liebe das Geräusch von arbeitenden Maschinen.« Er schüttelte Turners Hand und drückte ihm etwas in die Handfläche. Er blinzelte ihm zu und begleitete die Prinzessin auf den Flur hinaus.
    Turner öffnete seine Hand. Der alte Mann hatte ihm eine Marihuana-Zigarette gegeben. Turner schüttelte sich, lachte und warf sie weg.
    Wieder ein träger Montag in Brunei. Turners Arbeitsmannschaft trudelte am Spätvormittag ein. Es waren Brunei-Chinesen, die Weidenkörbe mit gartenfrischem Gemüse und kleine lackierte Kästchen mit satay shish kebab und scharfer Krabbenpaste mitbrachten. Sie begannen den allmorgendlichen Lebensmitteltausch und schwatzten gemächlich auf Mandarin mit malaiischem Akzent.
    Turner hatte kaum Macht über sie. Sie waren vom Industrieministerium angeheuert worden, und man zahlte ihnen wenig oder nichts. Ihre Arbeit war Teil der unsichtbaren Ökonomie der kampongs. Ihr Einsatz sollte ihrem kampong kleine Nebeneinkünfte wie Hühner oder Kinokarten verschaffen.
    Die Werft war eine geräumige Scheune mit Laufkatzen und einem ölbefleckten Betonboden. Der vordere Teil mit der geneigten Ablaufbahn, die in tiefem Wasser mündete, war einst ein Dajak -kampong gewesen. Die Dajak hatten die Betonwände mit gewaltigen, selbstleuchtenden Bildern besprüht: Totenfeen, die im Wochenbett gestorben waren, hüpfende Grillengeister mit bösen großen Augen.
    Der hintere Teil war zweistöckig. Im Erdgeschoß war die Roboterwerkstatt, im ersten Stock ein Büro mit Glaswänden, von dem aus man die Werft überblicken konnte.
    Das Büro war im schrillen modernistischen High-Tech-Stil der achtziger Jahre eingerichtet: abgerundete Computertische zwischen dünnen Trennwänden, Chromgestelle und körniges beiges Plastik. Das Plastik

Weitere Kostenlose Bücher