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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Silberfischen. Die arglosen Leute von Brunei hatten nicht erkannt, daß die Informationen, die sie enthielt, der Angelpunkt des ganzen Unternehmens waren. Das Sultanat hatte die Fabrik vor langer Zeit mit den letzten Öldollars gekauft; es war eine modische, von vornherein zum Scheitern verurteilte Geste gegenüber dem westlichen, industriellen Chic gewesen. Irgendwie hatten die Roboter in Borneo nie wirklich Fuß gefaßt.
    Aber Turner mußte die Chance ergreifen. Er mußte beweisen, daß er es auch allein schaffen konnte, ohne Großvater Choi und das erdrückende Gewicht seines Geldes.
    Vier Tage lang hatte Turner sich am Wasser herumgetrieben und die Reihen der winzigen chinesischen Schrotthandlungen durchgekämmt. Dieser Teil von Brunei Town gefiel Turner am besten; eine Art Elefantenfriedhof toter Technologien. In den aus Holz und Bambus gebauten Läden standen tote, schwarze Fernseher wie kaputte Zähne.
    Er hatte sich daran gemacht, ein modernes Telefon zusammenzusetzen. Er hatte aus einem Geschäft eine alte, wasserfleckige Tastatur und einen Bildschirm gerettet. Er schloß sein Modem und den Recorder an. Im Hafen hatte er einen Frachter aus Panama gefunden, dessen Kapitän ihm illegal Sendezeit auf seiner Satellitenanlage zur Verfügung stellte.
    Brunei Town war voller Telefonzellen, die anscheinend niemand benutzte: verschmierte, alte Kästen aus Glas und Plastik, die in Malaiisch, Englisch und Mandarin beschriftet waren. Eine dieser typischen Telefonzellen stand direkt vor Turners Hochhaus. Es war ein alter Apparat aus dem zwanzigsten Jahrhundert mit Münzeinwurf und Drehscheibe ohne Bildschirm.
    Er schlich mitten in der Nacht hinunter, um eine Funkverbindung zu seinem Zimmer im vierzehnten Stock zu schalten. Dadurch konnte man seine illegalen Anrufe höchstens bis zur Telefonzelle verfolgen. Durch die Funkverbindung blieb er in seinem Zimmer sicher.
    Aber als er die Verkleidung des Telefons abnahm, sah er, daß schon einmal jemand daran gefingert hatte. Und das Ding war völlig in Ordnung. Er wußte jetzt, daß er nicht allein war. Trotz des Geredes über die neokolonialistische Weltinformationsordnung gab es Leute in Brunei, die am globalen Kommunikationsnetz Interesse hatten. Brunei war verdrahtet wie der Westen, aber es war ein Untergrundnetz.
    All die verlassenen Telefonzellen hatten seit dieser Entdeckung für ihn eine neue, etwas unheimliche Bedeutung bekommen, aber er wollte nicht kneifen. Seine Pläne hingen davon ab, daß er durchkam.
    Jetzt war er bereit. Er überprüfte noch einmal die Satellitentabelle im Anhang seines ASME-Handbuchs. Arabsat 7 stand für ihn richtig; er versorgte aus seinem niedrigen Orbit die Tropen. Turner wählte aus seinem Apartment das Telefon unten an und schaltete sich zur Satellitenantenne des Frachters aus Panama durch. Über Arabsat klinkte er sich in einen geostationären amerikanischen Satelliten und von dort ins amerikanische Bodennetz ein. Dann wählte er zum Haus seines Bruders durch.
    Georgie Choi saß in Vancouver beim Frühstück. Er trug einen französischen Nadelstreifenanzug und einen Universitätspullover. Hinter ihm saß Marjorie, Turners schlanke Schwägerin, am Tisch mit den knisternden Leinenservietten und dem Silberbesteck. Die beiden Mädchen, Turners junge Nichten, schmierten zierlich Marmelade auf dreieckige Toastscheiben.
    »Bist du es, Turner?« sagte Georgie. »Ich krieg kein Bild rein.«
    »Ich konnte keine Kamera bekommen«, sagte Turner. »Ich bin in Brunei – Telefonquarantäne, erinnerst du dich? Ich mußte schon pfuschen, um nur den Ton zu kriegen.«
    Eine Monsunbö kam vor Turners Fenster auf. Die Windräder, die an die Wände des Hochhauses geschraubt waren, begannen zu surren und überzogen den Bildschirm mit dunklen Störbalken. Georgies glatte Stirn bekam Altersfalten. »Der Empfang ist schrecklich! Nicht einmal Stereo!« Er lächelte unsicher. »Egal, es wird schon gehen. Wir haben ja ewig nichts mehr von dir gehört. Ist bei dir alles klar?«
    »Geht so«, sagte Turner. »Was macht Großvater?«
    »Er ist von Taipeh zur Dialyse und zum Blutaustausch rübergekommen«, sagte Georgie. »Er haßt Krankenhäuser, aber ich hatte eine gute Neuigkeit für ihn.« Er zögerte einen Moment lang. »Wir werden ihm noch ein Enkelkind schenken.«
    Marjorie blickte auf und lächelte sehr weiblich und strahlend in die Kamera. »Das ist schön«, sagte Turner automatisch. Kinder waren für ihn ein heikles Thema. Er war noch nicht verheiratet,

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