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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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auf Turners nackter Haut bissige Insekten tafelten.
    Sie umrundeten einen Hügel und erreichten ein Lager. Das Mondlicht schimmerte schwach auf einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun und vier dunklen Wachtürmen. Das Unterholz war rundherum ein paar Meter breit niedergebrannt. Drinnen standen Baracken.
    Brooke marschierte selbstsicher zum Tor. Der Ort wirkte verlassen. Turner kroch in der schützenden Dunkelheit näher.
    Das Tor ging auf. Turner kroch zwischen zwei Büsche und beobachtete.
    Ein Suchscheinwerfer auf einem Turm wurde eingeschaltet und tauchte ihn aus vierzig Metern Entfernung in gleißendes Licht. Jemand rief ihn auf malaiisch durch eine Flüstertüte an. Turner sprang geblendet auf und hob die Hände. »Nicht schießen!« rief er mit brechender Stimme. »Nicht schießen!«
    Das Licht ging aus. Turner stand blinzelnd im Dunkeln, dann sah er vier kleine rote Leuchtkäfer auf seiner Brust. Er erkannte sie und reckte in eisigem Schrecken die Hände noch höher. Die kleinen roten Leuchtkäfer waren die Ziellaser von automatischen Gewehren.
    Die Wächter waren vor ihm, ehe er wieder sehen konnte. Dunkle Gestalten in Tarnanzügen. Er sah die schräg vorstehenden Magazine ihrer Gewehre, die auf seine Brust gerichtet waren. Sie hatten dicke Köpfe: Sie trugen Infrarotbrillen.
    Sie legten ihm Handschellen an und schoben ihn ins Lager. »Sprecht ihr Englisch?« fragte Turner. Keine Antwort. »Ich bin Kanadier, okay?«
    Brooke erwartete ihn erschrocken hinter dem Tor. »Oh«, sagte er, »Sie sind es. Was war das für eine bescheuerte Idee, Turner?«
    »Stimmt, eine dumme Idee«, sagte Turner ehrlich.
    Brooke sagte etwas auf malaiisch zu den Wachen. Sie senkten die Gewehre; einer befreite seine Hände. Sie verschwanden im Dunkeln.
    »Was ist das hier?« sagte Turner.
    Brooke richtete seine Taschenlampe auf Turners Gesicht. »Was glauben Sie, Sie Trottel? Ein Gefängnis für politische Gefangene.« Seine Stimme klang so kalt, daß Turner vor seinem inneren Auge ein Telegramm sah: SEHR GEEHRTE FRAU CHOI, WIR BEDAUERN IHNEN MITTEILEN ZU MÜSSEN, DASS IHR SOHN IM DSCHUNGEL VON BORNEO AUF EINE SCHLANGE GETRETEN IST. LEIDER KONNTEN IHN AUCH IHRE STIEFEL NICHT RETTEN …
    Brooke sagte leise: »Dachten Sie wirklich, Brunei wäre nur Friede, Freude, Eierkuchen? Es ist ein Staat, verdammt, nicht Ihre Spielzeugeisenbahn. Also gut, bleiben Sie bei mir und halten Sie den Mund!«
    Brooke winkte mit der Taschenlampe. Ein Wächter erschien aus der Dunkelheit und führte sie um die Ecke der Holzbaracken, die wegen des feuchten Bodens auf Betonklötzen standen. Sie gingen eine kurze Treppenflucht hinauf. Der Wächter legte einen Schalter um, und die Zelle wurde grell erleuchtet. Der Wächter lugte durch die engstehenden Stäbe in der schweren, eisenbeschlagenen Tür, dann schloß er auf. Scharniere quietschten.
    »Kommen Sie!« sagte Brooke. Sie betraten die Zelle. Die Tür fiel hinter ihnen zu.
    Ein dunkelhäutiger alter Mann blinzelte müde im grellen Licht. Er setzte sich auf seiner Eisenpritsche auf und schob das vergilbte Moskitonetz zur Seite. Er langte nach einer Drahtbrille auf dem Boden. Er trug graugestreifte Gefängniskleidung: Hose mit Gummiband und eine grobe Bluse mit Knöpfen. Er setzte die Brille vorsichtig auf und hob den Kopf. »Ah«, sagte er. »Jimmy.«
    Es war eine kahle Zelle: Holzboden, ein Nachttopf, ein verbeulter Aluminiumkrug und ein Waschbecken. Auf zwei Drahtregalen über dem Bett standen Bücher in englischer und einer seltsamen Sprache, die Turner nicht lesen konnte.
    »Das ist Dr. Vikram Moratuwa«, sagte Brooke. »Der Gründer der Partai Ekolojasi. Das ist Turner Choi, ein neugieriger junger Idiot.«
    »Ah«, sagte Moratuwa. »Sind wir nun Zellengenossen, junger Mann?«
    »Er steht nicht unter Arrest«, sagte Brooke. »Noch nicht.« Er öffnete den Koffer. »Ich habe Ihnen die Bücher mitgebracht.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Moratuwa gähnend. Er besaß noch die meisten seiner Zähne. »Ah, Mumford, Florman und Levi-Strauss. Danke, Jimmy.«
    »Schon gut«, sagte Brooke, als er Turners erschrecktes Gesicht bemerkte. »Der Sultan übersieht diese kleinen wohltätigen Besuche, wenn ich diskret bin. Ich glaube, ich kann Ihren Kopf aus der Schlinge bekommen, auch wenn Sie so tolpatschig hineingestolpert sind.«
    »Jimmy ist mein ältester Freund in Brunei«, sagte Moratuwa. »Es ist nichts dabei, wenn zwei alte Männer plaudern.«
    »Glauben Sie ihm kein Wort«, sagte Brooke. »Dieser Mann ist ein

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