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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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geschafft.
    »Es gibt hier noch reichlich Arbeit für einen Mann mit Ihren Fähigkeiten.«
    »Stellen Sie jemand anders ein.«
    Der Minister runzelte die Stirn. »Ich werde mich bei Kyocera beschweren.«
    »Dann kündige ich.«
    »Diesen großen Konzern verlassen? So früh in Ihrer Karriere? Ist das nicht unklug?«
    Turner schloß die Augen und bemühte sein letztes Quentchen Geduld. »Das ist mir egal. Tuan Minister, ich habe die Firma noch nie gesehen.«
     
    Turner machte mit den Schwarzbrennern in Etage 4 einen letzten Deal und schlich mit einem alten Benzinkanister mit Reisbier auf sein Zimmer. Das kleine Netz vor der Tülle filterte den dicken Bodensatz heraus. Er schenkte sich ein großes Glas ein und sah sich um. Er mußte packen.
    Er nahm die Plakate von den Wänden und warf seine Andenken aufs Bett. Zwischendurch hielt er immer wieder inne und kippte schaudernd große Schlucke des warmen Reisbiers. Das Packen war schrecklich leicht. Er hatte nicht viel mitgebracht. Das Zimmer sah armselig aus. Er trank noch ein Bier.
    Der Bonsai starb. Daran bestand jetzt kein Zweifel mehr. Der winzige Topf war mörderisch eng. »Du armer kleiner Kerl«, sagte Turner zum Baum. Seine Stimme war schwer vor Selbstmitleid. Impulsiv zerbrach er den Topf mit einem Tritt. Er trug den Baum vorsichtig durchs Zimmer und setzte die knotigen Wurzeln in die fette schwarze Erde der Kiste auf der Fensterbank. »So«, sagte er, während er sich die Hände an seiner Jeans abwischte. »Und jetzt wächst du, verdammt!«
    Es war wieder Freitagabend. Wieder wurde unten im Park umsonst ein Film gezeigt. Turner ignorierte ihn und rief in Vancouver an.
    »Wieder kein Bild?« sagte Georgie.
    »Nein.«
    »Egal. Ich bin froh, daß du anrufst. Es ist schlimm, Turner. Die Vettern aus Taipeh sind da. Sie belauern den alten Mann wie Geier.«
    »Dann sind sie in bester Gesellschaft.«
    »Mein Gott, Turner! Sag doch nicht so was! Hör mal, der Ehrenwerte Großvater fragt jeden Tag nach dir. Wann kannst du hier sein?«
    Turner sah in sein Notizbuch. »Ich habe auf einem Frachter eine Überfahrt nach Labuan Island gebucht. Das gehört zu Malaysia. Dort kann ich ein Flugzeug erwischen, einen Inselhüpfer nach Manila. Von da aus mit der Japan Air nach Midway, umsteigen und weiter nach Vancouver. Damit müßte ich … äh … am Montag um zwanzig Uhr nach eurer Zeit ankommen.«
    »Drei Tage?«
    »Hier gibt's keine Flugzeuge, Georgie.«
    »Na schön, wenn's nicht schneller geht. Zu schade, daß ich kein Bild bekomme. Hör mal, ruf ihn doch im Krankenhaus an, okay? Sag ihm, daß du kommst.«
    »Jetzt?« sagte Turner erschrocken.
    Georgie explodierte. »Ich hab keine Lust mehr, dir alles vorzukauen, Mann! Stell dich endlich mal deinen Verpflichtungen! Das Mindeste ist, daß du ihn anrufst und den braven Enkel spielst! Ich stell dich von hier aus durch.«
    »Okay, du hast ja recht«, sagte Turner. »Tut mir leid, Georgie, ich weiß, daß das alles sehr anstrengend für dich ist.«
    Georgie senkte den Blick und drückte auf eine Taste. Schnee tanzte auf dem Bildschirm, ein Telefon klingelte, dann sah Turner das Krankenzimmer seines Großvaters.
    Der alte Mann lag im Sterben. Seine Wangenknochen standen wie Keile hervor, die Lippen waren blau und geschwollen. Neben seinem Bett blinkte eine Wand von Überwachungsgeräten. Turner sprach ihn zögernd auf Mandarin an. »Hallo, Großvater. Hier ist dein Enkel Turner. Wie geht's dir?«
    Der alte Mann richtete seine schrecklichen Augen auf den Bildschirm. »Wo ist dein Bild, Junge?«
    »Ich bin in Borneo, Großvater. Hier gibt es keine modernen Telefone.«
    »Was ist das für ein Land? Haben die keinen Respekt?«
    »Politik, Großvater.«
    Großvater Choi runzelte die Stirn. Turner wurde es eiskalt. Mein Gott, dachte er, so werde ich auch aussehen, wenn ich alt bin. Sein Großvater sagte: »Ich kann mich nicht erinnern, dir die Erlaubnis gegeben zu haben.«
    »Es waren doch nur acht Monate, Großvater.«
    »Dir sind diese Barbaren lieber als deine eigene Familie, was?«
    Turner schwieg. Das Schweigen zog sich schmerzhaft in die Länge. »Das sind keine Barbaren«, platzte er schließlich heraus.
    »Wie war das, Junge?«
    Turner sprach jetzt Englisch. »Sie gehören zum britischen Commonwealth wie damals Hongkong. Die Hälfte sind Chinesen.«
    Großvater lächelte höhnisch und wechselte auch auf die englische Sprache über. »Warum brauchen sie dich dann?«
    »Sie brauchen mich«, sagte Turner fest, »weil ich ein

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