Zikadenkönigin
gehören könntest, würde ich sagen, zum Teufel mit Familie und Job.«
Sie lächelte bitter. »Das würdest du später bereuen. Du kannst nicht für eine Affäre dein ganzes Leben wegwerfen. Du wirst in Vancouver eine andere Frau finden. Ich wünschte, ich könnte sie umbringen.«
Jedes Wort klang wahr, aber es schmerzte trotzdem. Sie hätte nicht an seiner Bereitschaft, sein Leben fortzuwerfen, zweifeln dürfen. »Auch du wirst eines Tages heiraten. Aus Gründen der Staatsräson.«
»Ich werde nie heiraten«, widersprach sie energisch. »Eines Tages werde ich fortlaufen. Das ist dann meine große romantische Geste.«
Sie würde es nie tun, dachte er mit schmerzhaftem Bedauern. Sie würde hier im Gewächshaus altern. »Eine große Geste war genug«, sagte er. »Aber wenigstens die hatten wir.«
Sie betrachtete ihn düster. »Sei nicht traurig, daß du gehen mußt, Liebster. Es wäre falsch, wenn ich dich bleiben lassen würde. Du weißt nicht viel über dieses Land und über meine Familie.«
»Jede Familie hat Geheimnisse. Deine kann nicht schlimmer sein als meine.«
»Meine Familie ist anders.« Sie wandte den Blick ab. »Die malaiischen Königsfamilien sind heilig, Turner. Heilig und unrein. Wir sind Aristokraten, Schilde für die Unschuldigen … Schmutz und Häßlichkeit trifft den Schild, nicht das Volk. Wir nehmen die Korruption auf uns. Alle Verbrechen, die der Staat begeht, sind unsere Verbrechen, verstehst du? Es sind Verbrechen meiner Familie.«
Turner blinzelte. »Nun, und? Sag es mir, laß es nicht zwischen uns stehen.«
»Es ist besser, wenn du es nicht weißt. Wir sind aus einem bestimmten Grund hier, Turner. Es ist Brookes Plan.«
»Der alte Gauner?« sagte Turner lächelnd. »Du hast romantische Vorstellungen von Leuten aus dem Westen, Seria. Er kommt dir großartig vor, aber er ist nur ein ausgebrannter alter Knacker.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du verstehst das nicht. Das ist im Westen anders.« Sie umarmte ihre schlanken Beine und legte das Kinn auf die Knie. »Eines Tages werde ich rauskommen.«
»Nein«, sagte Turner. »Hier ist es anders. Im Westen lösen sich die Familien auf, das Geld reißt alles auseinander. Die Leute gehören sich dort nicht gegenseitig. Sie gehören dem Geld und ihren Institutionen … hier sind es wenigstens Menschen, die achtgeben und aufpassen …«
Sie knirschte mit den Zähnen. »Aufpassen. Ja, das ist es, immer. Du hast recht, ich muß fort.«
Er kroch durchs Moskitonetz in sein Zelt auf Deck, wo er noch lange im Dunkeln saß und mit seinem Schicksal haderte. Morgen würde der Hubschrauber den Prinzen und seine Schwester in die Stadt zurückbringen. Bald danach würde auch Turner zurückkehren, die letzten Einzelheiten regeln und abreisen. Er spielte mit seiner Phantasie: Mit einem fetten Barscheck aus Vancouver zurückkommen. Tee beim Sultan. Ä h, hören Sie, Hoheit, mein Großvater hat im Heroinhandel Karriere gemacht. Hier sind zwei Millionen. Putzen Sie das Mädchen etwas heraus. Es wird ihr schon gefallen, die Frau eines Ingenieurs zu sein, glauben Sie mir …
Er hörte leichte, schlurfende Schritte auf Deck. Er spähte durch die Klappe vor dem Zelt und sah den Schein einer Taschenlampe. Es war Brooke. Er trug einen Koffer.
Der alte Mann sah sich verstohlen um und schlich über das Deck, um zum Kai hinunterzusteigen. Obwohl vom stundenlangen Brüten erschöpft, war Turner sofort hellwach, als er Brookes Heimlichkeit sah. Turner blieb noch einen Augenblick lang sitzen, während Neugierde und unangebrachte Wut seine Vernunft benebelten. Die Vernunft sagte ihm, daß die Geheimnisse Bruneis ihn nichts angingen, aber die Vernunft machte sein Leben zur Hölle. Alles war besser, als die ganze Nacht zu grübeln. Er zog rasch Hemd und Stiefel an.
Er schlich zur Reling und sah Brookes weißen Anzug im Mondlicht. Er folgte ihm. Brooke umrundete die Ruinen und schlug einen Pfad in den Dschungel ein. Der Weg war von unheildrohenden Ranken überwuchert und sah aus wie das Jagdgebiet von Schlangen. Unter der weichen Deckschicht aus Blättern und Moos war Teer. Der Weg war irgendwann einmal eine Hauptstraße gewesen.
Turner beschattete Brooke. Er war dankbar, daß der alte Mann das Knirschen seiner Stiefel nicht hören konnte. Der Pfad führte bergan ins Landesinnere. Brooke fluchte herzhaft, als eine Gruppe grunzender Schweine über den Weg stürmte. Eine halbe Meile später rastete er zehn lange Minuten im verrosteten Gehäuse eines Landrovers, während
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