Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Schultern los, senkte den Kopf ein wenig, wie zu einer Entschuldigung, wandte sich von ihr ab und verließ den Laden.
Sie würde ihn schon nicht anschwärzen.
Niemand hatte ihn gesehen. Bestimmt nicht.
Er hatte Fingerabdrücke hinterlassen, aber mit solchen Dingen würde man sich doch in Bangladesch gewiss nicht abgeben.
Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend schlenderte er betont lässig zwei Straßen weiter und nahm dort eine der Motorrikschas, die man auch Babytaxis nannte, zu seinem Hotel.
3
Die Aufschriebe des alten Forschers fesselten seine Gedanken, kaum dass er seine Zimmertür hinter sich abgeschlossen hatte, und ließen ihn die Begegnung mit der stolzen Hindi für einige Stunden vergessen.
Mit zwei Flaschen Mineralwasser bewaffnet, machte er sich in dem stickigen, spartanisch eingerichteten Raum über die Manuskripte her. Sein Lieblingsgetränk, einen Whisky, hatte er nirgends auftreiben können, und auch nichts, was diesem entfernt nahe kam. Von dem Tee hatte er die Nase voll. Er hatte in den letzten Tagen mehr Tee getrunken als in seinem ganzen Leben davor.
Nach einer Stunde hatte er sich eingelesen. Die Lektüre wurde spannend wie ein Thriller, und die altersschwache Klimaanlage konnte nicht verhindern, dass er schwitzte. Er kramte in seiner linken Hosentasche nach dem winzigen verborgenen Reißverschluss, öffnete ihn vorsichtig, um ihn nicht zu beschädigen, und legte den Inhalt der Geheimtasche neben die Dokumente auf den Tisch.
Es war ein Stein, nicht viel größer als ein Aprikosenkern, ein flaches Stück, dessen eine Seite ein Reliefmuster aufwies. Jeder Laie konnte sehen, dass es irgendwo herausgebrochen sein musste, vielleicht durch einen Unfall, vielleicht auch durch Gewalt. Ein Splitter eines größeren Ganzen, einer Steinskulptur. Nichts war an diesem Bruchstück, was auf einen besonderen Wert hingewiesen hätte. Es waren allein die Umstände, unter denen er es gefunden hatte, die ihn davon überzeugten, es mit dem Teil eines Schatzes zu tun zu haben. Der Ort, an dem es verborgen gewesen war. Und ein Gefühl, das er hatte, wenn er es betrachtete oder berührte – seine Intuition als Schatzjäger.
Als er in einer Nacht vor etwas mehr als drei Jahren in dem zur Schule umfunktionierten Schloss im Schwarzwald eingestiegen war, hatte er wenig Zeit gehabt, sich umzusehen. Von unbezahlbaren Büchern und einer kleinen Sammlung mythologischer Gegenstände hatte ihm ein Informant berichtet, und er war zu der Überzeugung gekommen, dass es einen Versuch wert war.
Tyron Stood definierte den Inhalt seines Berufs großzügig. Die Schätze der Welt auf durch und durch legalem Wege in den eigenen Besitz zu bringen, war meist unmöglich. Wenn man sie schon nicht jemandem unter dem Hintern wegstahl, musste man sie sich erschwindeln, ergaunern oder mindestens am Zoll vorbeischmuggeln.
Stood hatte seine Suche im Keller des Gemäuers begonnen, und nachdem er wertvolle Minuten damit verschwendet hatte, die Sammlung erlesener Weine zu bestaunen, hatte er in einer der Kellerwände ein Geheimfach entdeckt. Es gehörte zu seinen Berufsprinzipien, den Inhalt von Geheimfächern stets komplett einzusacken. Er hätte auch alte Unterhosen mitgenommen, falls welche drin gewesen wären. So krallte er die beiden Gegenstände, die der kleine Hohlraum hinter dem Mauerstein zu bieten hatte: den Super 8-Film in einer oxydierten Filmdose und einen kleinen Steinsplitter. Der Splitter war in einen Stofffetzen eingewickelt, der der alten Unterhose schon bedenklich nahe kam.
Dummerweise wurde der Dieb von einem nachtaktiven Schlossbewohner ertappt, als er sich auf den Weg zur Bibliothek machte. Wenigstens gelang ihm die Flucht.
Für das nichtssagende Stück Stein hatte Stood sich einige Monate lang kaum interessiert. Der Film dagegen war faszinierend – er sah ihn sich zahllose Male auf einem alten Projektor an und wurde nicht recht schlau daraus. Genau genommen verstand er immer weniger davon, je öfter er ihn abspielte. Als der japanische Filmsammler Miura ihm unglaubliche dreißigtausend Dollar für den Zelluloidstreifen zahlte, kam ihm allmählich der Gedanke, der Steinsplitter könne ebenfalls nicht ganz wertlos sein.
Die Zeitungsartikel über den Einbruch auf Schloss Falkengrund hatten behauptet, es sei nichts gestohlen worden. Stood war von dieser Aussage wenig überrascht. Diese Masche kannte er. Wenn der Besitzer den Diebstahl leugnete, handelte es sich um besonders heikle und einträgliche Ware. Wann
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