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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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würde er sich jetzt ein paar Stunden aufs Ohr hauen. Das Manuskript packte er in eine Tüte und steckte es unter sein Kopfkissen, für den Fall, dass der Mörder Fryers ihm einen Besuch abstatten würde.
    Doch er blieb unbehelligt. Das Einzige, was seinen Schlummer in dieser Nacht störte, waren unangenehme Träume von blutüberströmten sechsarmigen Göttinnen, die am Ende von finsteren Höhlen lauerten. Die Göttinnen nahmen abwechselnd das Gesicht Dr. Fryers’ und der hübschen Verkäuferin im Buchladen an.

4
    Am nächsten Morgen hatte Stood das Gefühl, einen Kopf voll unnötiger Informationen auf den Schultern zu tragen, Vermutungen und Theorien ohne Zusammenhang, für die es keine Beweise gab. Woher wollte er wissen, ob der Völkerkundler aus London wirklich sorgfältig recherchiert hatte? Fryers war ein Mann von hohem Alter. Dem Manuskript ließ sich nicht entnehmen, ob er senil gewesen war. Seine Sprache war sauber und komplex – die eines Wissenschaftlers eben –, aber der Inhalt mochte ein hanebüchenes Durcheinander aus den unterschiedlichsten Mythen und haltlosen Spekulationen darstellen.
    Während eines ausgedehnten Frühstücks auf seinem Zimmer las der Abenteurer die restlichen Texte und fühlte sich anschließend nicht viel schlauer. Immer wieder fragte er sich, ob Fryers Mörder ein Dokument hatte verschwinden lassen, das all diesen wirren Details erst einen roten Faden geben würde.
    Es war ein bedeckter, schwüler Tag, ganz wie jene davor, und Stood beschloss, einen riskanten Versuch zu unternehmen. Über einen echten Ansatzpunkt verfügte er nicht, und ohne einen couragierten Schachzug sah er sich auf der Stelle treten.
    Er suchte den Buchladen auf, den er am Vortag tief beleidigt verlassen hatte. Er redete sich ein, nicht hinzugehen, um das Mädchen wiederzusehen (das ihm selbst als blutgierige Kali noch so verführerisch erschienen war, dass er mit einem … Artefakt zwischen den Beinen erwacht war, das ihm in diesen Ausmaßen fremd war). Nein, wenn er den Laden aufsuchte, dann freilich nur, um Fryers Nachforschungen fortzusetzen.
    Stood trat ein, ohne zu grüßen. Wieder hielten sich keine Kunden im Geschäft auf. Die junge Frau war mit einer riesigen Bücherkiste zugange. Sie sah nicht auf, aber er hatte das Gefühl, dass sie genau wusste, wer neben ihr stand.
    „Mein Hotel ist das American Star, Zimmer 28, Tyron Stood“, sagte er. Als sie endlich den Blick hob, fügte er grinsend hinzu: „Das Warmwasser ist tageszeitabhängig, das Fenster lässt sich nicht öffnen. Die Matratze macht einen überraschend neuen Eindruck, aber vom Inhalt der Minibar möchte ich lieber nicht sprechen.“
    „Halten Sie das!“, befahl sie und drückte ihm einen Stapel Bücher in die Hand. Ihr Verhalten verriet nicht, ob sie ihm überhaupt zugehört hatte. Er versuchte, die Titel der Bücher zu entziffern, doch sie waren in Bengali verfasst. Davon kannte er kein einziges Zeichen.
    „Ist Ihnen inzwischen jemand eingefallen, der Dr. Fryers getötet haben könnte?“, erkundigte er sich.
    „Nein. Warum interessiert Sie das? Stellen Sie die Bücher in das Regal da drüben!“
    „In dieses hier?“ Während er ihrer Order nachkam, spürte er, wie sich schon wieder Zorn in ihm regte. „Es interessiert mich, weil ich mir bedroht vorkomme.“
    Sie lachte, zum ersten Mal, und stand auf.
    Er zog die Mundwinkel herab. „Finden Sie das lächerlich? Oder unmännlich?“
    „Nein“, antwortete sie. „Aber es verrät mir, dass sie etwas vor mir verbergen. Warum sollte Sie jemand behelligen, so ganz ohne Grund? Ich nehme also an, Sie haben bei Dr. Fryers etwas mitgehen lassen.“
    „Was wissen Sie über seine Arbeit?“
    Ihre dunklen Augen blitzten, und ihr Gesicht wurde wieder ernst. „Fast nichts. Haben Sie seine Aufschriebe gestohlen?“
    Stood hob die Augenbrauen. „ Kennen Sie seine Aufschriebe?“
    „Ich habe zu tun. Sie beantworten meine Fragen nicht.“ Wieder ging sie in die Hocke und nahm Bücher aus der Kiste. Ihr farbenfrohes Kleid spannte sich um ihren kleinen Hintern, und ihre hellen Fußsohlen waren zu sehen, als sie sich von den leichten Schlappen lösten. Sie roch nach einem Gewürz.
    Stood verdrehte die Augen, zerbiss einen Fluch und sah sich um. Draußen vor dem Schaufenster blieb jemand stehen, sah einen Moment herein, ging jedoch wieder weiter, als Stood unwillig mit dem Kopf zuckte. Weiße waren eine Seltenheit hier und wurden gerne angestarrt. Das hatte nichts zu bedeuten. Hoffentlich.

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