Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
des Blitzes.“
Er tastete in der Finsternis des Zimmers nach dem Apparat, eilig, aus Angst, sie könnte es sich anders überlegen. Sie setzte sich auf das Bett, er stand auf, platzierte sich am Fußende und richtete das Objektiv auf die Stelle, wo sie sich befinden musste. Fasziniert starrte er durch den Sucher, gewillt, den Sekundenbruchteil auszukosten, für den sich ihr dunkler Körper aus der Schwärze schälen würde.
„Ich bin bereit“, sagte sie, und er drückte den Auslöser.
In dem grellen Schein sah er, dass sie ihm das Profil zuwandte. Sein Blick saugte sich an ihren Schultern und Brüsten fest, die seine geblendeten Augen nur unscharf wahrnahmen. Und als das helle Nachbild auf seiner Netzhaut zurückblieb, betrachtete er es genießerisch, bis es verschwand. Er hatte sich eingebildet, auf ihrer Schulter etwas erkannt zu haben, etwas, das er nicht recht einordnen konnte. Vielleicht eine Narbe.
Er würde es wissen, sobald er den Film entwickelte. Bis dahin konnte er warten.
Tyron Stood kroch wieder ins Bett zurück. Sie für einen winzigen Augenblick zu sehen, hatte seinen Hunger auf sie von neuem geweckt.
7
Er wunderte sich selbst, wie ruhig er den Rest der Nacht noch geschlafen hatte. Dass er jeden Moment das Opfer eines Polizeikomplotts werden konnte, kümmerte ihn erstaunlich wenig. Mit all seinen Gedanken war er schon bei der Reise, die ihnen beiden bevorstand.
Gut fünfzig Kilometer ging es vom frühen Morgen an nach Nordwesten, mit einem bunten, tuckernden Schiff voller Bengalen. Das Frühstück im Hotel hatten sie ausgelassen und stattdessen später auf dem Schiff etwas gegessen. Siti wollte ihm nicht verraten, was es war. Er tippte auf Krokodil.
Um die Mittagszeit stiegen sie in kleineres Boot um, das von einem alten Mann mit weißem Bart gesteuert wurde und dessen ohrenbetäubend knatternder Motor Tyron das Gefühl gab, seine Knochen würden unter seinem Fleisch zu Staub zermahlt werden. Der reiche Regen der letzten Wochen hatte den Wasserspiegel in kaum vorstellbarer Weise ansteigen lassen, und von dem ehemaligen Ufer war an vielen Stellen nichts mehr zu sehen. Bäume ragten aus dem Wasser, und es war ein seltsames Gefühl, zwischen ihnen hindurchzufahren. Die meiste Zeit über befuhren sie kein Meer, keinen Fluss, sondern das Land.
Einen halben Tag lang waren sie auf dem Boot unterwegs, und gerade, als sich die Dunkelheit herabzusenken begann, erhob sich ein riesiges Stück Land aus der Tiefe, und sie konnten die Nacht auf dem Trockenen verbringen. Wobei „trocken“ ein relativer Begriff war.
Stood hatte bereits südamerikanische, afrikanische und auch asiatische Ausprägungen von Urwald erlebt, doch ein so nasser, fauliger Pfuhl wie dieser war ihm noch nirgends untergekommen. Anstelle des üppigen Grüns stand hier in weiten Teilen ein schlammiges Grau, die abgestorbenen, modernden Blätter überwogen die lebendigen, und das Land war von einem dichten Netz brauner Tümpel durchzogen, Wasser, das nirgends herkam und nirgendwohin ging, das einfach nur stand. In diesen Kloaken schwammen schwarze, sich zersetzende Pflanzenteile, und je dunkler es wurde, desto mehr erinnerten die fauligen Äste an die Skelette versunkener Menschen. Riesige Luftwurzeln ragten armgleich aus den Stämmen der Mangrovenbäume.
Mückenschwärme zogen in der Nacht wie Wolken über sie hinweg. Diese Wolken entließen einen Regen aus blutgierigen kleinen Folterknechten, und obwohl das Fliegennetz, das sie aufgespannt hatten, die dümmeren davon zurückhielt, ließ es noch viele von den aufgeweckteren hindurch. Stood erwachte im Morgengrauen daran, dass er sich im Schlaf die Fußknöchel blutig gekratzt hatte. Der Alte, der sie hergebracht und mit ihnen geschlafen hatte, verabschiedete sich und ließ noch einige Utensilien zurück. Darunter waren riesige Buschmesser, die auch als Schwerter hätten durchgehen können.
„Wir gehen nach Osten“, erklärte Siti. Auf der Basis von Dr. Fryers’ Aufschrieben hatte sie eine einfache Karte skizziert. Dem Amerikaner war es ein Rätsel, zwischen welchen Zeilen sie die nötigen Informationen entdeckt hatte, aber er war froh, dass sie die Andeutungen des Briten als Einheimische besser zu deuten wusste.
Während das Blätterdach über ihnen grüner und die Vegetation dichter wurde, machten sie Bekanntschaft mit unterschiedlichen Tierarten. Waren sie zunächst hauptsächlich von Insekten beehrt worden, kreuzten nun auch Vögel und Landtiere ihren Weg. Eidechsen wuselten
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