Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
des kitschigen Portals warf er einen beiläufigen Blick in die Lobby … und stolperte beinahe über den Teppich.
An einem runden Tischchen saß die Verkäuferin aus dem Buchladen und winkte ihm zu. Vor ihr stand eine Tasse mit dampfendem Chai.
Sprachlos setzte er sich zu ihr. Der Kellner kam, Stood bestellte abwesend einen Whisky on the rocks und änderte die Bestellung in eine Cola um, als der Mann in der grünen Uniform betreten zur Seite sah.
„Freuen Sie sich nicht über meinen Besuch?“, wollte die Verkäuferin wissen. Obwohl sie ein ähnliches Kleid trug wie am Morgen, wirkte sie in dieser Umgebung noch verführerischer als in der dunklen, engen Buchhandlung. Sie trug die langen schwarzen Haare, die sie zuvor hochgesteckt hatte, jetzt offen, und es war ein Vergnügen besonderer Art, ihren roten Lippen beim vorsichtigen Nippen an dem kochend heißen, süßen Milchtee zuzusehen. Ein Hauch von Luxus umwehte sie, ohne dass sie etwas Teures am Leib getragen hätte. Ihr ganzer Schmuck bestand noch immer in dem Bindi auf ihrer Stirn, das glühte wie eine winzige Sonne, die von der Nacht ihrer Haut verschluckt zu werden drohte.
„Sollte ich mich denn freuen?“, gab Stood zurück.
„Oh, wie charmant“, lachte sie. „Ihre Komplimente sind erfrischend, Mr. Stood.“
Stood, der bislang nicht den Eindruck gehabt hatte, dass sie für so etwas wie Komplimente überhaupt empfänglich sei, massierte sein Kinn. „Also: Was verschafft mir die Ehre?“
„Sie wollten meine Hilfe. Ich biete Sie Ihnen an.“
„Ach? Auf einmal?“
„Sie benötigen sie nicht mehr?“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich …“ Der Kellner brachte die Cola. Das Getränk bestand im Wesentlichen aus Eiswürfeln. „Ich verstehe nur nicht ganz, warum Sie …“
„Dr. Fryers forschte nach einer Skulptur, so viel ist mir bekannt. Er hat mir einmal davon erzählt. Ich nehme an, es handelt sich um das, wovon Sie heute zu mir gesprochen haben. Das Asota Shuram.“
Shuram hoch zwei , dachte Stood, sagte jedoch nichts. Jetzt, wo die Frau sich so ungewöhnlich gesprächig zeigte, wollte er sie nicht unterbrechen.
„Der Doktor hatte eine … sehr gemächliche Art des Forschens, wie viele alte Wissenschaftler. Auf seine Art hätte er noch Jahre gebraucht, um die Skulptur zu finden. Vielleicht wollte er das auch gar nicht. Vielleicht wollte er nur eine Abhandlung darüber schreiben. Zuerst dachte ich, Sie seien auch einer von seiner Sorte. Aber Sie sind ein Abenteurer. Sie begnügen sich nicht mit wissenschaftlichen Aufsätzen. Sie wollen den Schatz finden, stehlen und zu Geld machen. Habe ich recht?“
Stood sah sich um. Auf der anderen Seite der Lobby saß ein älterer Einheimischer und las eine Zeitung. Die Buchhändlerin sprach sehr leise, und er tat es ihr gleich, als er fragte: „Wer hat Dr. Fryers getötet?“
„Ich vermute, die Regierung. Einige Leute sehen es nicht gerne, wenn Leute wie er ihre Nase in Dinge stecken, die sie nichts angehen.“
„Das verstehe ich nicht. Wir reden hier nicht von Militärgeheimnissen oder politisch brisanten Daten. Was hat die Regierung mit einer Steinskulptur zu tun?“
„Sie würden es Aberglaube nennen, Mr. Stood. Oder darf ich Sie Tyron nennen? Mein Name ist Siti. Auch wenn die Moslems hier regieren – man nimmt Überlieferungen, die auf Hindu-Kulte zurückgehen, sehr ernst.“ Ihre dunklen Augen glommen auf, als sie einen tiefen Schluck von dem heißen Tee nahm, als nähre die Hitze eine Energiequelle in ihrem Inneren. „Man schätzt es nicht, wenn Fremde sich mit Kräften anlegen, die sie nicht verstehen. Man fürchtet, es könne Unglück über das ganze Land bringen, wenn Geheimnisse enthüllt oder Kultstätten entweiht werden.“
„Aber wenn das so ist, warum wurde Dr. Fryers dann gerade jetzt umgebracht, und nicht schon vor Wochen oder Monaten?“
„Ich nehme an, man hat gewartet, bis jemand auftaucht, dem man den Mord in die Schuhe schieben kann. Am besten ein Ausländer.“
Stood setzte sein Glas wieder ab, das er bereits zum Mund geführt hatte. Seine Augen weiteten sich. „Sie sprechen von mir?“
Siti nickte. „Wahrscheinlich laufen die Vorbereitungen für Ihre Überführung und Verurteilung bereits auf Hochtouren. Zeugen werden gekauft, alte Spuren verwischt, neue gelegt. Möglicherweise hat man Sie nur deshalb noch nicht behelligt, weil man abwarten will, ob Sie noch einmal in das Haus des Doktors zurückkehren. Hatten Sie das vor?“
Stood überlegte. „Ich glaube
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