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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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ich über sie erfahren habe, stand in einem Brief, den sie geschrieben hat. Hatte sie ihn geschrieben? Zu Hause? Nein. Nicht zu Hause und nicht bei ihren Eltern. Ihre Eltern haben nichts aufbewahrt. War das nicht merkwürdig? Hing das mit dem Schweigen zusammen? Mit einem Geheimnis? Was ist das Geheimnis dieser Familie? Wenn ich das herausfinde, weiß ich alles. Er hörte Stimmen auf dem Flur, vielleicht Huren, Freier, Sozis. Ein Frauenlachen, ein Männerlachen. Kein Kinderlachen. Dies war ein Ort für jene, die alles hinter sich gelassen hatten. Weg. Weg ist weg und kommt nie wieder. Und dies sind die letzten Tage des Hotels. Das Kind. Das Kind Paula. Warum denke ich an das Kind Paula? Sind es die Schaukeln? Die Spielplätze? Die Frau und das Mädchen in dem elenden Mietshaus auf Hisingen? Warum denke ich ausgerechnet in diesem Moment an sie? Wo ich über so viel anderes nachdenken muss. Über andere, die einmal Kinder waren. Die jetzt Kinder sind. Meine eigenen zum Beispiel. Am anderen Ende des Flurs knallte eine Tür. Das Leben ging weiter wie gewohnt, was auch immer geschah. Auf der Straße fuhr ein Auto vorbei, die roten Rücklichter leuchteten hinauf bis ins Zimmer Nummer 10. Plötzlich wirkte alles noch älter, wie in einem alten Film aus den fünfziger, sechziger, siebziger, achtziger Jahren. Die achtziger Jahre. Was ich da für ein Grünschnabel war. Hab hier gestanden. Nur hier gestanden. Und an Ellen gedacht. Wo bist du, Ellen? Obwohl ich schon damals wusste, dass sie fort war, vermutlich tot. Möchte wissen, wie es ihrem Mann jetzt geht. Christer. Er geht zur Abendandacht in die Kirche. Auch er war in meinem Alter. Alle waren in meinem Alter. Paula war in dem Alter, in dem ich war, als ich noch grün war. Und Ellen vorher. Und Christer. Und Jonas. Und seine Mutter, damals, als der Junge noch ein Junge war. Draußen rasselte ein Lachen wie Schotter über den Fußboden, nicht wie Perlen. Sie hatten im Zimmer Nummer 10 nach Antworten gesucht, aber nur gefunden, was sie schon wussten. In diesem Zimmer waren keine Briefe mehr. Nur der eine. Er hatte ihn noch einmal gelesen, bevor er hierher gegangen war. Den Worten entströmte eine makabre Kraft, der man sich nicht entziehen konnte. In ihnen war eine Botschaft verborgen, die er nicht sah. Eine Antwort. Wie in diesem Zimmer.
    Winter öffnete die Tür und trat hinaus in den Flur. Dort war es heller, ein bisschen. Die roten Tapeten dämpften das vorhandene Licht. Natürlich waren sie rot. Hier und da schimmerte etwas Gold. Alles war, wie es sein sollte im Hotel »Revy«.
    Er ging die geschwungene Treppe hinunter. Auch sie schien aus einer anderen Epoche zu stammen, einer belle époque.
    Genauso wie der Portier. Es war derselbe Portier wie damals.
    »Dann ist das Zimmer also wieder freigegeben?«, fragte er.
    Winter nickte.
    »Das ist ein gutes Gefühl«, sagte der Mann. »Als würde hier wieder Normalität herrschen.«
    »Normalität?«
    »Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ich bin nicht ganz sicher.« Winter wollte gehen. »Das Hotel macht doch sowieso bald zu.«
    Ein Mann mit einem Koffer und einer Tasche für den Laptop kam durch die Schwingtür. Er schien direkt aus einem Zug gestiegen zu sein, vielleicht am nahe gelegenen Hauptbahnhof. Auf den Wangen des Mannes schienen rote Rosen zu blühen. Die Temperatur war nach Sonnenuntergang gefallen. Jetzt herrschte Winter. Der Mann trug einen Wintermantel. Winter trug einen Wintermantel. Der Mann meldete sich an, füllte ein Formular aus, stieg mit seinem Koffer die Treppe hinauf. Hier gab es keinen Piccolo.
    »Ein normaler Gast«, sagte der Portier.
    »Welcher Art?«
    »Der will hier nur schlafen und arbeiten.«
    »Welches Zimmer haben Sie ihm gegeben?«
    »Nicht die Zehn, falls Sie das meinen.«
    »Haben Sie die Liste?«
    Der Portier reckte die Hand nach einem Blatt, das neben der Kasse lag. »Ich weiß nicht, ob sie vollständig ist.«
    Schweigend nahm Winter das Papier entgegen und überflog es rasch. »Das sind ja mehr Namen, als ich dachte«, sagte er.
    Draußen auf der Treppe klingelte sein Handy. Fast hätte er das Gleichgewicht verloren, als er es hervorholte. Offenbar war es glatt geworden, während er sich im Hotel aufgehalten hatte. Der Wind brachte Kälte mit sich.
    »Es ist die gleiche Sorte Farbe«, sagte Torsten Öberg.
    »Aber wir haben keine Dose«, sagte Winter.
    »Die hat er.«
    »Weiter hast du nichts im Zimmer gefunden?«
    »Farbspuren?«
    »Ja. Oder sonst was.«
    »Es ist dieselbe Art Strick,

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