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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Spielsachen. Er drehte den Kopf hin und her, als betrachte er alles, nur nicht die Sachen im Schaufenster. In wenigen Wochen würden sie mit der Weihnachtsdekoration anfangen, und dann war Weihnachten und dann das neue Jahr, und damit begann ein neues Jahrzehnt, die neunziger Jahre.
    Börge entfernte sich rasch in Richtung des nördlichen Ausgangs.
    Winter folgte ihm im Abstand von dreißig Metern.
    Börge betrat den staatlichen Schnapsladen. Winter wartete draußen. Mit einer Plastiktüte, in der sich die Konturen einiger Flaschen abzeichneten, kam Börge wieder heraus und ging weiter zum Ausgang, bog nach rechts ab und war verschwunden.
    Winter folgte ihm und sah ihn in fünfzig Metern Entfernung einen Fußgängerüberweg überqueren. Er musste schnell gegangen sein. Jetzt stellte er sich bei einer Bushaltestelle neben einem Häuflein Wartender an. Niemand außer ihm trug eine blaue Mütze. Der Bus kam, Börge stieg als Letzter ein und der Bus fuhr ab. Die schwarzen Fensterscheiben reflektierten das Sonnenlicht, und Winter konnte ihn nicht ausmachen, als der Bus an ihm vorbeifuhr. Die Sonnenstrahlen glühten wie eine Feuersbrunst.

27
    Vielleicht war es Börges Gesicht, da im Rückfenster ein weißer Fleck hinter der schmutzigen Scheibe.
    Winter lief am Hauptbahnhof, dem Göteborgs-Posten -Gebäude und am Ullevi-Stadion vorbei und holte ein Auto aus der Polizeigarage. Dann fuhr er zu Börges Adresse. Einen Häuserblock entfernt fand er einen Parkplatz.
    Das Namensschild hing immer noch am Klingelbrett. Es hatte sich kaum etwas verändert. Niemand wagte es, Hand an die Patrizierhäuser im Zentrum von Göteborg zu legen. In diesem Gebiet rührten die irren Sozis nichts an. Sie tobten sich in den Vororten und den Stadtkernen der kleineren Städte aus.
    Börge wohnte im dritten Stock. Das Treppenhaus war gepflegt, und wie in einer Kirche fiel durch farbige Glasscheiben Licht herein.
    Vor drei Jahren war er diese Treppen mehrmals hinaufgestiegen. Danach: vier oder fünf Telefongespräche, um zu hören, ob es etwas Neues gab. Irgendwann hatte sogar Börge ihn angerufen. Seine Stimme hatte gedämpft geklungen, als hätte er ein Taschentuch über die Sprechmuschel gelegt.
    Bevor Winter auf den Klingelknopf drückte, schoss ihm durch den Kopf, dass Börge vielleicht nicht mehr allein lebte, dass er ihn besser vorher hätte anrufen sollen.
    Aber das hatte er nicht tun wollen.
    Er läutete, und Börge öffnete nach dem ersten Klingeln, als hätte er hinter der Tür gewartet. Vielleicht hatte er Winter das Haus betreten sehen, ihn an der Bushaltestelle bemerkt oder im Einkaufszentrum.
    Börge wirkte nicht erstaunt. »Ach, Sie sind das.«
    Es war eher eine Feststellung, eine Müdigkeit in der Stimme wie nach langer Krankheit. Börge war in den letzten drei Jahren gealtert, hatte Krähenfüße um die Augen. Aber die hab ich wohl auch, dachte Winter. Ich sehe mein Gesicht nur jeden Morgen, daher fallen mir keine Veränderungen auf.
    »Darf ich hereinkommen?«
    Börge machte eine einladende Handbewegung und ging voran. »Ziehen Sie bitte die Schuhe aus«, sagte er. »Es ist frisch geputzt.«
    Winter wusste nicht, ob das ein Scherz sein sollte, zog jedoch seine handgearbeiteten englischen Schuhe aus und stellte sie neben die anderen Paare, die im Flur auf der Schuhablage unter der Garderobe aufgereiht waren. Es schienen identische Paare zu sein. Das war eine gute Idee, wollte man nicht ständig dasselbe Paar tragen und doch die Schuhe regelmäßig wechseln. Das hatte ihm sein Schuhhändler in Mayfair gründlich eingebläut. Einmal im Jahr fuhr er hinüber und bekam jedes Mal denselben Rat: Er brauche nicht jedes Mal neue Schuhe zu kaufen. Die Schuhe, die er trug, waren solide gearbeitet und hielten lange. Börges Schuhe waren einfacher, aber auch kein Billigzeug.
    Börge saß schon, als Winter das Wohnzimmer betrat.
    Auf dem Tisch standen eine Flasche Rotwein und ein halb gefülltes Glas. Winter hatte im Flur den Weingeruch im Atem des Mannes bemerkt.
    Börge deutete auf die Weinflasche. »Möchten Sie ein Glas? Das ist kein Fusel.«
    »Das sehe ich.«
    »Möchten Sie also ein Glas?«
    »Nein, danke. Ich muss noch fahren.«
    Börge lächelte, ein säuerliches Lächeln. »Gute Ausrede.«
    Er dehnte die Silben ein wenig, das Zeichen eines leichten Rausches. Von ein paar Gläsern auf leeren Magen. Am Weinpegel in der Flasche las Winter ab, dass Börge beim zweiten Glas war. Vielleicht war es ein regelmäßiges

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