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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Nachmittagsvergnügen.
    »Setzen Sie sich«, sagte Börge.
    Winter ließ sich in dem Sessel Börge gegenüber nieder. Vor dem Fenster irrten ein paar schwarze Vögel herum wie auf der Suche nach einem Zuhause. Ihr Krächzen drang durch die Scheiben.
    Börge hob sein Glas. »Hier sieht es aus, als ob es was zu feiern gäbe, nicht wahr?«
    »Und – haben Sie einen Grund?«
    »Was sollte ich schon feiern?« Börge setzte das Glas ab. »Es ist nur eine angenehme Art, durch den Tag zu kommen.«
    Winter nickte.
    »Haben Sie dazu nichts zu sagen?«
    »Nein, warum sollte ich?«
    »Tja … Sie sind doch Polizist.«
    »So weit sind wir noch nicht, dass wir bei den Leuten reinplatzen und ihnen die Flaschen wegnehmen.«
    »Aber reingeplatzt sind Sie«, sagte Börge.
    »Möchten Sie, dass ich gehe?«
    »Nein, nein, ein bisschen Gesellschaft ist angenehm.«
    Zum zweiten Mal benutzte er das Wort angenehm. Aber hier drinnen war es alles andere als angenehm. Es schien plötzlich kalt geworden zu sein, als wäre alle Wärme aus den Heizkörpern gewichen und zum Fenster hinausgezogen, hinaus zu den Vögeln, die immer noch hin und her flogen. Zu beiden Seiten des Fensters müssen Bäume stehen, dachte Winter. Das ist mir noch nie aufgefallen.
    »Wie geht es Ihnen, Herr Börge?«
    Börge hatte die Hand nach dem Weinglas ausgestreckt und hielt mitten in der Bewegung inne. »Interessiert Sie das wirklich?«
    »Sonst wäre ich nicht hier.«
    »Was interessiert Sie daran?«
    »Jetzt verstehe ich Sie nicht.«
    »Klar verstehen Sie mich. Ich weiß doch, dass Sie mich im Verdacht hatten, etwas mit Ellens Verschwinden zu tun zu haben. Würde mich nicht wundern, wenn Sie jetzt deswegen hier wären.«
    »Deswegen nicht.«
    »Sie liegt immer noch nicht in einem der Schränke hier«, sagte Börge. »Sie können es gern überprüfen, wenn Sie wollen.«
    »Ich hab Sie heute in der Stadt gesehen«, sagte Winter.
    Börge antwortete nicht. Er nahm hastig einen Schluck von dem Wein und stellte das Glas wieder ab. Der Fuß des Glases hatte einen roten Ring auf der hellen Tischplatte hinterlassen. Börge schien ihn nicht zu bemerken. Seine Bewegungen waren etwas fahriger geworden. Die Flasche war noch knapp halb voll.
    »Ich hab Sie im Nordstan gesehen, zufällig.« Winter beugte sich vor. Das Bukett stieg ihm in die Nase. Es war ein relativ teurer Pessac. Wenn Börge sich besaufen wollte, tat er es offenbar mit Stil. »Reiner Zufall.«
    »Meinen Sie, ich hätte Sie nicht bemerkt?«
    »Ich war nicht sicher. Hab mich auch nicht gerade versteckt.«
    »Ich auch nicht.« Börge musterte die Weinflasche und schaute dann auf. »Meinen Sie, ich hätte mit Ihrem Auftauchen hier nicht gerechnet?«
    »Den Eindruck hatte ich allerdings«, sagte Winter, »als Sie öffneten.«
    »Drei Jahre nichts, und dann taucht auf einmal die Kripo auf.«
    »Ich bin aus einem plötzlichen Impuls heraus hergekommen«, sagte Winter.
    »Was das wohl genau heißt? Impuls?«
    »Äh, ich …«, sagte Winter. »Dass ich hergekommen bin.«
    »Das wollen wir mal sofort feststellen.« Börge erhob sich hastig, schwankte etwas und musste sich mit einer Hand an der Sofalehne festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Winters Blick wanderte unwillkürlich zu der Flasche. Ihm fiel plötzlich ein, dass es ja nicht die erste des Tages zu sein brauchte. Börge wirkte zwar relativ nüchtern, aber vielleicht hatte er die Toleranzschwelle eines Alkoholikers.
    Börge ging zu einem breiten Bücherregal an der Wand neben dem Fenster, studierte die Buchrücken und reckte sich nach einem Titel. »Von der Schwedischen Akademie!« Er hielt einen dicken Band hoch. »Unentbehrlich.«
    Er begann in dem Nachschlagewerk zu blättern.
    »Im…puls.« Er schaute auf. »Es gibt keine Erklärung.« Er hielt den Band näher zu dem Licht vom Fenster. »Doch nicht so unentbehrlich.« Er schleuderte das Buch in hohem Bogen durch das Zimmer. Das Buch landete hinter Winter.
    Winter trat an das Bücherregal. Börge blieb stehen, stützte sich mit einer Hand an den Buchrücken ab, starrte dem Nachschlagewerk hinterher.
    Eins der Borde war halb leer. Darin standen dicht nebeneinander drei gerahmte Fotografien. Soweit Winter sich erinnern konnte, hatten sie vor drei Jahren noch nicht dort gestanden. Zwei der Fotos erkannte er, die hatte er bereits gesehen, als er hier gewesen war. Auf dem einen lächelte ihn Ellen von einem Stuhl aus an, der überall stehen konnte. Es war ein nichts sagendes Lächeln. Auf dem anderen

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