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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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hier, mal da.«
    »Wo?«
    »In Italien.«
    »Italien?«
    »Meiner alten … Heimat. Sizilien. Außerhalb von Caltanisetta. Das liegt in den Bergen, südlich von Palermo.«
    Es klang logisch. Deswegen hatten sie sich so zögernd über Marios Herkunft geäußert. Sizilien. Jeder könnte sich endlos in dem sizilianischen Bergdorf verstecken.
    »Wusste Paula es? Dass Ellen ihre Mutter war?«
    »Nein …«
    Winter wartete auf eine Fortsetzung. Er sah Neys Augen an, dass eine folgen würde.
    »Zuerst nicht, erst … später.« Ney krümmte sich plötzlich über den Tisch, als wären die Schmerzen in seiner Brust stärker geworden. »Wir … haben es ihr später erzählt.«
    »Als sie ihre lange Reise unternommen hat, ist sie da zu Ellen gefahren? Zu ihrer Mutter? Wussten Sie, dass sie zu ihrer Mutter fuhr?«
    Ney nickte.
    »Und dann hielten sie weiter Kontakt?«
    »Soweit es ging.«
    »Warum sollte es nicht gehen?«
    »Sie hatten beide … Angst.«
    »Angst? Vor wem?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich glaube, Sie wissen es sehr gut, Herr Ney.«
    »Nein. Ich habe es nie wirklich verstanden.«
    »Verstehen Sie es jetzt?«
    »Ja.«
    »Vor wem hatten sie Angst?«
    »Christer Börge«, flüsterte Ney.
    »Vielleicht hatten die beiden Frauen ja auch Angst vor Ihnen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie nicht versucht, vor Ihnen zu fliehen?«
    »Nein.« Ney hob den Blick und sah ihm in die Augen. Doch Winter konnte nichts in ihnen lesen. So schwer war es ihm noch nie gemacht worden.
    »Wann haben Sie Ellen das letzte Mal getroffen?«, fragte Winter.
    »Das ist … schon ein paar Jahre her.«
    »Und wo?«
    »Zu Hause. Auf Sizilien.«
    »Warum haben Ellen und Paula zusammengewohnt, als das Mädchen zehn Jahre alt war?« Winter gab dem Verhör eine jähe Wendung, und Ney schien zu zucken. Aber vielleicht hatte er sich im selben Moment auch nur bewegt.
    »Wegen Ellen. Sie wollte eine Weile mit dem Mädchen … zusammenleben.«
    »Hat sie ihr damals erzählt, dass sie ihre leibliche Mutter ist?«
    »Nein, nicht soweit ich weiß. Für Paula war Ellen damals eine Freundin der Familie.«
    Winter dachte nach. Das könnte sie gesagt haben. Für Paula war Ellen nicht ihre richtige Mutter, weil Elisabeth ihre Mutter war. Das war ihre Welt, ihr Leben. Damals gab es noch keine Lügen in ihrer Welt.
    Trotzdem verstand Winter das Schweigen nicht, und er konnte sich nicht damit abfinden. Dies war eins der bestgehüteten Geheimnisse, die ihm in seinem Arbeitsleben je begegnet waren. Ein großer Teil seiner Arbeit bestand darin, sich mit dem zu befassen, was andere Menschen geheim hielten. Vor ihm. Vor anderen.
    Doch hinter all dem musste mehr stecken, etwas, worüber Ney nicht sprechen wollte.
    Ellen hatte alles hinter sich gelassen. War vor vielen Jahren einfach abgetaucht. Herr im Himmel. Als Winter der Gedanke durch den Kopf ging, begriff er erst, was dies bedeutete.
    »Warum ist Ellen weggegangen?«, fragte er erneut.
    »So ganz hab ich das nie verstanden«, antwortete Ney. »Da müssen Sie sie schon selber fragen.«

33
    Der Novemberhimmel weinte, als wäre das Ende der Welt nahe. Der Wind rüttelte an den Fenstern, als wollte er ins Präsidium einbrechen. Winter konnte ihn durch die Scheibe spüren. Die Oktoberstürme kamen mit einem Monat Verspätung.
    »Die Älvborgsbrücke ist gesperrt«, sagte Ringmar hinter ihm.
    »Wer wäre denn so bekloppt, jetzt über die Brücke fahren zu wollen«, sagte Halders.
    Winter drehte sich um.
    »Pass auf da hinten«, zog Halders ihn auf. »Die Scheiben könnten nachgeben.«
    »Dann landen wir mitten in einem Katastrophenfilm«, sagte Bergenhem.
    »Vielleicht sind wir längst die Stars«, sagte Halders, »spielen die Hauptrollen.«
    »Es kann nur eine Hauptrolle geben«, wandte Bergenhem ein.
    »Dann reden wir im Augenblick also über mich«, sagte Halders.
    Winter ging zu dem langen Tisch und setzte sich an die Kopfseite. Der Wind war auch hier zu spüren. Selbst Ringmars Schlipsknoten war in Auflösung begriffen. Winter trug keine Schlipse mehr. Die kratzten ihn seit einiger Zeit am Hals. Er bekam keine Luft. Vielleicht würde er nie mehr einen tragen.
    Ringmar räusperte sich, nicht nur weil er die Diskussion wieder in geordnete Bahnen lenken wollte. Der kräftige Wetterumschwung hatte die erste Erkältung des Herbstes mit sich gebracht. Ringmar hoffte, dass es die einzige bleiben würde.
    »Was ist nun von dem Ganzen zu halten?«, sagte er in die Runde.
    »Der Mann scheint nicht gerade ein Ausbund an

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