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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gut.«
    Winter öffnete den Umschlag, der auf dem Schreibtisch lag, nahm ein Foto heraus und hielt es hoch. »Kennen Sie diese Frau?«
    »Wer ist das?«
    »Antworten Sie nur, wenn Sie sie erkennen.« Er reichte ihr das Foto. »Hier, bitte.«
    Anne Sandler betrachtete es eingehend. Winter richtete das Licht der Schreibtischlampe auf das Bild.
    Anne Sandler blickte auf. »Ist sie das?«
    »Wer?«
    »Ist es die Frau … aus dem Wäldchen?«
    »Erkennen Sie sie?«
    Ihre Augen wurden größer. Es schien, als spanne sich die Haut in ihrem Gesicht.
    »Wir haben keine Eile«, sagte Winter.
    »Nein«, sagte sie nach einer Weile und legte das Foto hin.
    »Ich kenne sie nicht. Wer ist das?«
    Winter antwortete nicht. Er holte ein anderes Foto hervor und drückte es ihr in die Hand. »Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?«
    Es konnte eine vergebliche Frage sein.
    »Ja«, sagte Anne Sandler fast unmittelbar. »Das ist sie, nur jünger. Aber das ist sie.«
    »Wer?«
    »Die Frau, die in unserem Haus gewohnt hat, die Mutter von dem Mädchen.«
    »Wieso sind Sie so sicher?«
    Sie schaute weiter auf das Bild. »Ich weiß es nicht. Ich erkenne sie einfach.« Sie sah auf.
    »Das ist Ellen«, sagte Winter. »Ellen Börge.«
    Er hatte beschlossen, Anne Sandler den Namen zu nennen. Vielleicht war es ein Fehler, aber er hatte sich dafür entschieden. Als er sich entschloss, ihr die Fotos zu zeigen.
    »So heißt sie? Ellen?«
    »Ja.«
    »So hieß sie damals nicht … Sie hatte einen anderen Namen.«
    »Eva?«
    »Ja!«
    »Sie hieß Eva, als Sie sich trafen?«
    »Ja. Sie hieß Eva.«
    »Ist Ihnen mal woanders ein Bild unter die Augen gekommen?«
    »Nein. Wo denn auch?«
    Winter antwortete nicht.
    »Nein … Ich hab sie auf keinem anderen Bild gesehen.«
    Winter nickte.
    »Das ist also die Mutter des Mädchens.« Anne Sandler wirkte sehr bleich im Licht der Schreibtischlampe, als wäre alles Blut aus ihrem Gesicht gewichen. Sie riss die Augen auf.
    »Ist sie das? Ist das sie … die …«
    Winter schwieg.
    »Wo ist sie? Und wenn … sie es nicht ist? Und wo ist ihre Tochter?«
    »Wenn es ihre Tochter ist«, erwiderte Winter.
    »Jetzt verstehe ich Sie nicht.«
    »Die Tochter hat gesagt, dass es nicht ihre richtige Mutter war.«
    »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Wer hat das behauptet?«
    »Ihr Sohn«, sagte Winter.

32
    Mario Ney sprang auf, als Winter das Verhörzimmer betrat. Sein Gesicht war kalkweiß. Die Ringe unter seinen Augen waren dunkel wie Ruß. Er versuchte, etwas zu sagen, aber Winter hörte keinen Ton. Ney waren die Worte im Hals stecken geblieben, verursachten einen Hustenanfall. Ney schnappte nach Luft. Vielleicht waren es wichtige Worte.
    Der Hustenanfall ging genauso schnell vorbei, wie er gekommen war. Ney stützte sich auf die Tischplatte und blickte Winter aus tränenden Augen an. »War … warum bin ich hier?«, fragte er schließlich. »Was ist passiert?«
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Winter.
    »Was … was ist passiert?«
    Ney wischte sich über den Mund. Winter bemerkte Schweiß auf seiner Stirn.
    »Ich sehe Ihnen an, dass etwas passiert ist.«
    »Möchten Sie ein Glas Wasser?«, fragte Winter.
    Ney schüttelte den Kopf. Er geriet ins Wanken. Ehe Winter bei ihm war, packte er die Tischplatte, fand sein Gleichgewicht wieder wie zuvor seine Stimme.
    »Haben Sie ihn gefasst?« In Neys Augen standen noch immer Tränen. »Bin ich deswegen hier?« Er schaute sich plötzlich um, als würde ihm erst jetzt bewusst, wo er sich befand. »Bin ich deswegen hier?«
    »Setzen Sie sich, Herr Ney.«
    »Ich kann gut stehen«, sagte er und wankte. »Erzählen Sie mir nur, was passiert ist.«
    »Setzen Sie sich«, wiederholte Winter.
    Ney musterte den Stuhl und setzte sich.
    Winter nahm ihm gegenüber Platz. Sein Stuhl schabte über den Boden. Der Chef des Landeskriminalamtes hatte das Putzen der Verhörzimmer eingeschränkt. Im Erteilen von Dienstbefreiungen war er großzügiger als bei der Anstellung von Reinigungskräften.
    »Erzählen Sie mir von Ihrem Job im Hotel ›Odin‹«, sagte Winter.
    »Was?« Ney war zusammengezuckt. »Woher wissen Sie davon? Dass ich dort gearbeitet habe. Das ist doch Jahre her.«
    »Erzählen Sie mir davon«, wiederholte Winter.
    »Ja … was … es ist so lange her …«
    »Was war Ihre Aufgabe in dem Hotel?«
    »Alles Mögliche … Ich weiß nicht, was das mit dieser Sache zu tun hat.«
    »Verstehen Sie das nicht?«
    Ney antwortete nicht.
    »Verstehen Sie nicht, warum ich Sie das frage,

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