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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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streckte sich nach der Weinflasche. Angela saß ihm am Küchentisch gegenüber. Sie hatte Meereskrebse gratiniert.
    Winter sog den Duft nach Kräutern, Knoblauch und Butter ein. »Elsa gibt sich nicht mit halben Mensuren zufrieden«, sagte er. »Diesmal wollte sie, dass die Hexe sämtliche Gefangenen auffrisst.« Er schenkte Wein ein. »Natürlich alles Kinder.«
    »Vergiss nicht, dass du der Erzähler bist.« Angela reichte ihm eine Krebshälfte.
    »Was bedeutet?«
    »Es sind deine Geschichten.«
    »Nee, nee, es sind ihre.« Er hob das Glas. »Zum Wohl.«
    Sie hob ihr Glas, und sie tranken.
    »Sie mag nicht, dass ich ihr was erzähle.« Angela stellte das Glas ab. »Sie findet, in meinen Geschichten ist niemand böse.«
    »Sei froh, Angela.«
    »Und was soll man von dir halten, Erik?«
    »Ich möchte eben nett sein.« Er lächelte. »Ich mach eben, was sie will.«
    »Schenk mir bitte noch ein Glas ein.«
    »Es sind doch nur Geschichten, Angela.« Er goss ihr nach. Es war Freitag. Er zog die feuerfeste Form zu sich heran. »Es ist doch alles nur erfunden.«

35
    Er konnte nicht schlafen, aber damit hatte er gerechnet. Trotzdem, der Versuch musste sein. Niemand kam lange ohne Schlaf aus. Doch diese Arbeit sorgte für Schlaflosigkeit, damit war er nicht allein. Körperliche Arbeit wäre gesünder, da konnte man erschöpft in den Schlaf fallen. Aber auch die war nicht ungefährlich. Bäume konnten einem auf den Kopf fallen. Baugerüste einstürzen. Traktoren umkippen.
    Winter richtete sich auf. Angela schnarchte dezent, mehr um ihn auf die Probe zu stellen. Elsas Schnarchen hatte wundersamerweise aufgehört, als wollte es der Medizin einen Streich spielen. Eine Operation war nicht mehr nötig. Winter konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, der Chirurg der HNO-Station habe enttäuscht ausgesehen, aber das konnte reine Einbildung sein.
    Er hatte die Enttäuschung in Mario Neys Augen gesehen, als Winter ihm erklären musste, dass er nicht nach Hause würde fahren können. Erklären? Er hatte es ihm nur gesagt.
    Halders hatte den Kopf geschüttelt, als sie vor dem Verhörzimmer standen. »Wir wissen zu wenig über ihn.«
    Winter hatte einen Blick auf die Uhr geworfen.
    »Und du haust nächste Woche ab in die Sonne«, hatte Halders hinzugefügt, dem das nicht entgangen war.
    »Das wollte ich nicht kontrollieren.«
    »Was denn?«
    »Ich wollte wissen, wie spät es ist.«
    Halders hatte aufgelacht. Ein ungewohnter Klang zwischen den verklinkerten Wänden des Korridors, hier wurde selten gelacht.
    Oben im Dezernat waren sie Ringmar begegnet. »Jonas ist vor einer halben Stunde gegangen.«
    Winter hatte genickt.
    »Seine Mutter sah nicht gerade glücklich aus darüber.«
    »Und er selber?«
    »Mehr wie ein Schuldiger«, hatte Ringmar gesagt.
    »Wessen schuldig?«
    Ringmar hatte mit den Schultern gezuckt.
    »Ich fahr nach Hause«, hatte Winter gesagt.
    Das Whiskyglas blitzte im Mondschein auf. Es war das einzige Licht im Zimmer, ein Mondstrahl, der weiter hereinreichte als die Straßenbeleuchtung vom Vasaplatsen. Es war eine klare Nacht. Beim Anblick der Sterne am Himmel fiel Winter unwillkürlich Mario Ney ein. Es war dieser Weltraum, nach dem Ney sich zu sehnen schien. Am Himmel waren mehr Sterne, als Winter je gesehen hatte. Der Himmel war von den südlichen Schären bis nach Angered übersät davon.
    Er hob das Glas. Die Farbe war jetzt nicht zu erkennen, aber er wusste, es war Bernstein. Die Nacht war farblos, wenn man schwarz nicht als Farbe zählte. Und weiß. Winter beobachtete, wie der weiße Lichtschein die Dunkelheit im Zimmer durchschnitt. Weiß. Er musste an die weiße Hand denken. Was symbolisierte die weiße Farbe, für was stand sie: Die Farbe allein. Die Farbdose, die sie enthalten hatte. Er dachte an eine Wand, die weiß gestrichen worden war. Warum war Paula Neys Hand weiß gewesen? Es musste etwas bedeuten. Es war eine Botschaft. Weiße Farbe. Die Farbdose. Eine weiße Wand. Weiß gestrichen. Frisch gestrichen. Woher kam die Farbdose? Das wussten sie nicht. Hatten sie … die Maler gefragt? Die Maler in Paulas Wohnung. Die Wände dort. Halbfertig. Fast fertig. Unfertig. Was gibt es hier, was wir nicht sehen?, hatte Halders gesagt. Auch Winter hatte dieses Gefühl gehabt. Denk jetzt nach. Denk nach.
    Eine weiße und halbfertige Wohnung.
    Denk nach!
    Eine abgerissene und neu errichtete Wand war nichts Besonderes.
    Aber.
    Eine Botschaft.
    Die Wand ist eine Botschaft.
    Hinter der Wand. Der weißen Wand.
    Ein

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