Zimmer Nr. 10
sagte Halders.
»Gab’s nicht eine Grundstücksverwaltung auf dem Hof?«, sagte Winter.
Der Grundstücksverwalter öffnete die Tür, ohne dass Winter den Staatsanwalt zu benachrichtigen brauchte. Der Fund im Wäldchen hatte die Menschen in der Umgebung erschüttert. Winter hatte Jonas Sandler noch nicht von dem Hundeskelett im Grab erzählt. Er wollte damit warten, auch wenn er nicht genau wusste, warum.
Der Grundstücksverwalter in seiner Uniform trat beiseite. Es war ein Mann in den Dreißigern mit einem unschuldigen Gesicht. Lassen wir ihm noch eine Weile seine Unschuld, dachte Winter, bedankte sich und wartete, bis der Mann widerwillig die Treppe hinunterging und aus ihrem Blickfeld verschwand.
Halders starrte in das Dunkel der Wohnung. Irgendwo am Ende des Flurs schimmerte schwaches Licht. Sie waren beide schon hier gewesen, jeder für sich. Bei Halders war es länger her. Winter hatte Metzer erst viel später kennen gelernt, aber es hätte erst gestern sein können. Metzer hatte ein besonderes Merkmal. Als er Winter auf dem Sofa gegenübergesessen hatte, war Winter die Narbe in seinem Gesicht aufgefallen, sie reichte von einer Schläfe bis über die Wange hinunter, wie von einem Säbelhieb. Vielleicht ist Metzer deutscher Herkunft, war Winters erster Gedanke gewesen.
Ich hab mir Sorgen gemacht, hatte Metzer damals zu Winter gesagt. Deswegen hab ich die Polizei angerufen.
Aber diesmal hatte er nicht die Polizei gerufen.
Vorsichtig waren sie durch den Flur ins Wohnzimmer vorgedrungen, die Waffen schussbereit. Von dort kam das Licht. Schon draußen hatten sie den Geruch bemerkt. Er war nicht stark, aber wahrnehmbar.
Das Licht vom Hof fiel auf den Körper, der ausgestreckt auf dem Sofa lag. Sie konnten nirgendwo Blut entdecken. Unter anderen Umständen hätten sie geglaubt, er schliefe nur.
Winter hörte eine Uhr ticken. Jetzt würde hier niemand mehr die genaue Uhrzeit benötigen.
Metzer konnte im Schlaf gestorben sein. Oder an einer plötzlichen Krankheit.
Er konnte durch die Hand eines anderen gestorben sein.
Halders beugte sich über den Körper. Er hielt sich ein Taschentuch vor den Mund.
»Kein schöner Anblick.« Seine Stimme klang dumpf.
»Erkennst du ihn?«, fragte Winter.
»Nein, aber es ist ja auch einige Jahre her, dass ich ihn gesehen habe.« Halders schaute auf.
»Es ist Metzer«, sagte Winter.
»Du warst ja erst kürzlich hier.«
»Die Narbe ist noch da«, sagte Winter.
»Meinst du die Spuren am Hals? Die wirken in meinen Augen eher verdächtig.«
»Nein, ich meine die Narbe.« Winter zeigte auf Metzers Narbe, die wie ein weißer Strich von der Schläfe zum Hals verlief. Im Tod war sie deutlicher zu sehen als im Leben.
»Er hatte keine Narbe«, sagte Halders. »Als ich hier war, hatte er keine.« Wieder betrachtete Halders den Körper, studierte das Gesicht von nahem, zuckte aber schnell zurück und sagte erstaunt: »Das da ist nicht Metzer.«
»Was?«
»Das ist nicht der Metzer, mit dem ich geredet habe.«
Es war ein anderer Gerichtsmediziner. Winter kannte ihn nicht. Er war älter als Pia Fröberg, viel älter. Er war ungefähr im gleichen Alter wie Metzer, aber sein Gesicht hatte eine natürlichere Farbe. Er hieß Sverker Berlinger. Scheint ein alter pensionierter Kauz zu sein, der einspringen musste, dachte Winter.
Der Arzt hatte hörbar geseufzt, als er hereinkam und sein Blick auf die Leiche fiel, als wollte er sagen, dass er mit so was eigentlich seit langem abgeschlossen habe. Dann hatte er sich mit sicheren Händen an die Arbeit gemacht.
»Sieht aus wie Tod durch Erdrosseln«, sagte Berlinger und schüttelte leicht den Kopf.
»Wann?«, fragte Winter.
Berlinger zuckte mit den Schultern.
»Vor zwei Wochen?«, fragte Winter. »Drei?«
Berlinger schaute sich um, als suche er den Wecker, den nun niemand mehr brauchte. Winter folgte seinem Blick zu Torsten Öberg, der vor einer Kommode hockte.
»Es ist warm hier«, sagte Berlinger.
»Wann also?«, wiederholte Winter. »Letzte Woche?«
»Nein, wohl kaum.«
»Dann sind es ja schon zwei Wochen«, meinte Winter.
»So wird’s sein.« Berlinger beugte sich wieder über den Körper und musterte eingehend Anton Metzers Gesicht.
»Eine Mensurnarbe, sieh einer an.«
»Ach ja, so heißt das«, sagte Winter.
»Sie kennen den Begriff?«, fragte Berlinger und schaute auf.
»Ist mir vorhin nur nicht eingefallen. Aber ich weiß, was man darunter versteht.«
Berlinger sah wieder auf Metzers Gesicht. »Die da ist ein
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