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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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zufällige Eindrücke von zufälligen Momenten, waren etwas, das man haben, auf das man aber auch verzichten konnte.
    Mit den Fotos, die gerahmt wurden, war es etwas anderes. Sie waren mehr für die Nachwelt bestimmt. Sie waren … fast intim.
    Ein solches Foto hatte er in keiner Schublade, auf keinem Regal gefunden, wo es für die Zeit der Renovierung vorübergehend hingelegt worden war.
    Er musste ihre Eltern danach fragen, Halders nahm seinen Block hervor und machte sich eine Notiz. Die Eltern würden ihnen ohnehin bei der Identifizierung aller Gesichter auf den Fotos behilflich sein müssen. Möglicherweise gab es auch nichts Gerahmtes. Vielleicht war das nicht Paula Neys Stil.
    Was war ihr Stil?
    Halders verließ das Schlafzimmer und ging ins Wohnzimmer, eine Bezeichnung, die noch aus der Zeit stammte, als die Leute eine gute Stube hatten, ausgekühlt und verrammelt, die nur benutzt wurde, wenn Besuch kam, der vielleicht nie kam. Das Zimmer war nur vorhanden wie etwa ein ewiger Untermieter. Jedenfalls war es so in Halders’ Elternhaus gewesen, niemand kam je zu Besuch, und die Tür zur guten Stube wurde nie geöffnet, das gute Silber nie hervorgeholt. Als Junge hatte Halders manchmal vor dieser Tür gestanden und durch die Milchglasscheibe auf all die Gegenstände gespäht. Alles war undeutlich, fließende Konturen, als wäre er kurzsichtig und trüge keine Brille. Er wollte so gern wissen, was es da drin gab, wie es aus der Nähe aussah. Als könnte er auf diese Weise erfahren, warum sich niemals jemand in dem Zimmer aufhielt.
    Plötzlich konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er je die gute Stube seiner Kindheit betreten hatte. Dabei müsste er sich erinnern können. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er noch ein Kind war, zogen auseinander, und die gute Stube wurde zu einer Erinnerung, die von Anfang an verschwommen, mit den Jahren jedoch niemals undeutlicher wurde. Im Gegenteil, das Bild schien immer klarer zu werden, gerade weil es anfangs so schwer gewesen war, sich ein Bild zu machen.
    Ihr Stil, Halders hatte an Paula Neys Stil gedacht. Ihr Stil war jedenfalls nicht gewesen, ermordet zu werden. Der Mord bewies, dass niemand ganz frei war. Wenn sie ihr Leben, ihr früheres Leben, näher kennen lernten, würde sich auch dieses Bild allmählich verändern, sich erhellen oder dunkler werden, während es gleichzeitig immer klarer wurde.
    »Wie sind wir eigentlich auf die Schließfächer gekommen?«, fragte Bertil Ringmar.
    Sie hatten sich für einen Spaziergang durch den Park zur Tankstelle und zurück entschieden. Es war kein großer Park, die Tankstelle war fast größer.
    »Aneta hat auf den Bahnhof hingewiesen«, sagte Winter.
    »Dass es dort doch wirklich einen Koffer geben könnte.« Er sah zum Himmel, als wollte er am Stand der Sonne die Zeit ablesen. Seine Sonnenbrille schimmerte auf einmal golden.
    »Ich hab angerufen und die Person verlangt, die für die Schließfächer zuständig ist.«
    »Und?«
    »Wir bekommen Bescheid.«
    Ringmar nickte.
    Wieder verfolgte Winter den Lauf der Sonne. Er schaute auf seine eigene Uhr. Plötzlich ging ihm sein Irrtum auf. »Inzwischen haben die doch wohl Videoüberwachung, Bertil? Rund um die Uhr?«
    »Ich glaube schon.«
    »Wann löschen Sie die Aufnahmen von der Festplatte?«
    »Nach drei Tagen«, sagte Rolf Bengtsson, Chef der Automatenfoto AG, die die Schließfächer von der schwedischen Bahn übernommen hatte. »Manchmal auch eher.«
    Winter war zum Hauptbahnhof gefahren. Es hatte keine fünf Minuten gedauert, einschließlich Falschparkens am Taxistand. Rasch betrat er das Gebäude. Die Halle mit den Schließfächern war erst kürzlich umgebaut worden, genau wie alles andere. Er musste nach dem Weg fragen. Die Schließfächer befanden sich jetzt in der Unterwelt des Bahnhofs. Die Treppe nach unten war steil. Hinter sich hörte Winter den Fahrstuhl summen. Er bemerkte die Überwachungskameras an der Decke. Es waren gut gemachte Attrappen.
    »Ich habe da einen Streifen Automatenfotos, die ich Ihnen später zeigen möchte«, sagte Winter, während sie die Treppe hinuntergingen.
    »Warum?«
    »Kann man sehen, wenn sich jemand von einem Automaten fotografieren lässt, wann die Fotos gemacht wurden?«
    »Nein.«
    »Okay, aber man kann feststellen, welcher Automat die Fotos gemacht hat?«
    »Ja, das geht, wir kennen die Eigenheiten unserer Apparate.«
    »Gut«, sagte Winter.
    Die Halle in der Unterwelt badete förmlich in einer grünen Farbe, die der

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