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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Architekt wohl für erholsam hielt. Für beruhigend, therapeutisch wertvoll. Überall war es grün, wie in einem Tropenwald. Menschen kamen und gingen in der erholsamen Atmosphäre. Hoffentlich nicht zu erholsam, zu sehr im Retro-Trend, um etwas zu erkennen. Falls es überhaupt etwas zu sehen gab, was für sie interessant war.
    »Der Zeitpunkt, an dem die Aufnahmen auf der Festplatte gelöscht werden, ist abhängig von den Aktivitäten hier unten«, fuhr Bengtsson fort. »Die Kamera schaltet sich erst ein, wenn sich jemand bewegt.«
    Drei Tage, dachte Winter. Sie konnten Glück haben, sie konnten jedoch auch einen kapitalen Bock geschossen haben. Oder aber es war nicht weiter von Bedeutung.
    »Jede Ecke wird erfasst«, erklärte Bengtsson. »Niemand entkommt.«
    »Wenn noch Aufnahmen da sind«, sagte Winter.
    »Manchmal gibt es noch welche von vor fünf Tagen. Es hängt, wie gesagt, davon ab, was hier unten für ein Betrieb herrscht.«
    »Man kann sie doch hoffentlich trotzdem wiederherstellen?«, fragte Winter. »Selbst wenn die Festplatte gelöscht wurde?«
    »Ich bin Fachmann für Fotoautomaten und Schließfächer«, sagte Bengtsson, »nicht für Software. Ich weiß allerdings, dass es Computerexperten von der Polizei schon versucht haben. Es ist ihnen aber nicht geglückt.«
    Bei den Schließfächern war so wenig los gewesen, dass es noch Aufnahmen der letzten viereinhalb Tage gab. Winter empfand Zuneigung zum Zählwerk. Vielleicht würden sie sehen können, wie Paula Ney einen Koffer in ein Fach schob. Und wie sie, oder jemand anders, ihn abgeholt hatte. Das Opfer. Der Mörder.
    Rolf Bengtsson führte Winter zu dem Kontroll- und Aufbewahrungsraum links von der Treppe. Hier waren zwei Personen mit Putzen, Aufbewahrung, Annahme und Überwachung beschäftigt. Es waren ein jüngerer Mann und eine jüngere Frau. Sie hatten viel zu tun. Auf den Monitoren herrschte reges Kommen und Gehen, es war gerade Stoßzeit.
    Die junge Frau stellte sich als Helén Wigren vor und reichte Winter die Hand. Sie deutete mit dem Kopf auf den Schirm rechts an der Wand. »Sind Sie schon mal hier gewesen?«, fragte sie.
    »Nein, seit dem Umbau nicht mehr.« Winter ging zu dem flachen Schirm hinüber. Das Bild darauf war in sechs Vierecke aufgeteilt. Wie bei einer Installation. In den Vierecken bewegten sich die Menschen auffallend ruckartig. Das kam nicht nur daher, dass sie Koffer aufhoben oder abstellten. Auf den Bildern sah jeder aus wie ein Fall für den Orthopäden. Winter wusste, das war der Preis, den der Betrachter für die Digitalisierung zahlen musste. »Wie viele Kameras gibt es?«, fragte er.
    »Acht.« Helén Wigren zeigte auf den Schirm. »Die vier anderen laufen natürlich auch. Eine von ihnen filmt die Leute, die hier die Treppe hinaufgehen. Die nennen wir unsere Geheimkamera.«
    »Aha.« Winter studierte die Aufnahmen. »Die Attrappen sehen übrigens gut aus.«
    »Letzte Woche ist eine gestohlen worden.« Helén Wigren lächelte.
    »Wo sind die richtigen Kameras versteckt?«
    »In den Sprinklern und Feuermeldern.«
    »Mir kam es auch so vor, als gäbe es reichlich von denen.«
    »Man kann nie vorsichtig genug sein.« Helén Wigren lächelte wieder.
    Winter saß vor dem Schirm und konzentrierte sich auf die Aufnahmen von dem Abend, an dem Paula Ney verschwunden war. Ein Schnelldurchlauf. Sie würden die Filme von der Festplatte kopieren und sie sich in Vergrößerung auf den Monitoren im Präsidium vornehmen. Oder gleich den Computer komplett einpacken. Das war schon vorgekommen.
    Zunächst konzentrierte er sich auf die Frauen. Er sah Frauen in Sommerkleidung Schließfächer öffnen, Schließfächer schließen, abschließen und aufschließen, sich nähern und wieder entfernen, alles in dieser eigenartigen ruckartigen Wiedergabe. Wie bei einem Stummfilm, nur dass die Bilder farbig waren, erstaunlich scharf, gleichzeitig aber getüncht mit der grünen Farbe, in die dort unten alles getaucht war. Die hintersten Ecken blieben dunkel, was dort hinten in den Schatten geschah, wer dort was machte, konnte man nicht so gut erkennen.
    Aber Winter entdeckte in einer Ecke, einer Art Sackgasse, einen Mann, der sich umzog.
    »Dahinten gibt es keine Attrappe«, erklärte ihm Helén Wigren. »Die Leute glauben, da können sie alles machen.«
    Winter beobachtete den Mann. Jetzt war er ganz nackt und schaute sich um, als suchte er nach weiteren Kleidungsstücken, die er ablegen könnte. Sein Gesicht war teilweise im Schatten verborgen. Sein

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