Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
war ein unheimlicher Gegenstand. Jetzt schimmerte er grün inmitten der grünen Schließfächer und der grünen Wände, eine Farbnuance, deren Anblick einem Übelkeit bereiten konnte. Winter war nicht mehr so sicher, dass es ein Unikat war. Sie schien in einer Standardform gegossen worden zu sein. Vielleicht war sie sogar in einem Kuriositätenladen gekauft worden.
    Aber es kam nicht darauf an, wie sie aussah. Sie war, was sie war. Es kam darauf an, was sie bedeutete. Ein Symbol, wenn man so wollte. Winter war überzeugt, dass diese Hand mit dem Fall zusammenhing. Mit Paula Ney. Paula. Ein Gruß vom Mörder an die Polizei.
    Ein Wink. Er wollte gesehen werden.
    Der Mörder wusste, dass sie ihn sehen würden.
    Er wusste, dass sie ihn bald sehen würden.
    Ihn auf einem grün schimmernden Videofilm sehen würden.
    Vielleicht würde er winken, ihnen ein Zeichen geben, das sie verstehen würden.
    Und sie würden verstehen, dass er wusste.
    Winter spürte die vertraute alte Kälte. Sie überkam ihn bei bestimmten Fällen, den allerschwierigsten. Dazwischen konnten Jahre vergehen. Es war ein Gefühl, das mit Angst zusammenhing.
    Seht mich!, schrie der Mörder.
    Seht, was ich getan habe!
    Das war ICH!
    »Jemand hat die Hand hierher gebracht und eingeschlossen«, sagte Ringmar.
    »Jetzt müssen wir weiter in die Glotze starren.« Halders stöhnte.
    Winter dachte unwillkürlich an antike Statuen, denen einzelne Gliedmaßen fehlten, der Kopf. Häufig war es nur ein Torso, ein kreideweißer Torso. Auf seinen Reisen durch Südeuropa war er an Hunderten vorbeigekommen.
    Hier war es umgekehrt. Ein Glied ohne Torso, eine einsame Hand. Bedeutete das etwas? Eine Statue war ein totes Ding, das etwas Lebendes darstellte.
    Winter drehte sich zu Bengtsson um. »Das Zählwerk hat angefangen, den zweiten Tag zu registrieren. Jemand hat dieses Schließfach vor knapp vierzig Stunden zugesperrt. Das müsste noch auf der Festplatte sein, oder?«
    Bengtsson nickte.
    Laut Display war der Inhalt des Schließfachs vor fast genau neununddreißig Stunden um 00.17 Uhr eingeschlossen worden.
    Der Videofilm zeigte kaum mehr als einen Rücken.
    Sie standen in dem kahlen Raum hinter dem Büro vor dem Bildschirm. Der Rücken war ganz hinten im Gang zu sehen, sogar ziemlich deutlich, aber das half jetzt auch nichts.
    Da war nur ein Rücken, ein langer Mantel, die Rückseite eines breitkrempigen Hutes. Es war nicht zu erkennen, wie groß die Person war; sie mussten an der Schrankhöhe Maß nehmen.
    »Da haben wir unseren Mann«, sagte Halders.
    Winter ließ die Aufnahme noch einmal laufen. Sie dauerte fünfzig Sekunden. In dieser Zeit gelang es Dem Rücken, ein paar Münzen in den Schlitz zu stecken, etwas herauszunehmen und etwas in die Box zu legen, die Tür zu schließen und den Schlüssel umzudrehen. An den Körperbewegungen war abzulesen, was er tat.
    »Der Kerl hat Handschuhe getragen«, sagte Ringmar.
    »Schön«, sagte Halders. »Wer hätte auch auf zehntausend Fünf-Kronen-Münzen Fingerabdrücke überprüfen wollen?«
    Sie ließen den Film noch einmal laufen.
    »Guckt mal, wie der sich bewegt«, sagte Ringmar. »Nicht ein einziges Mal im Halbprofil, die ganze Zeit nur der Rücken.«
    »Langer Mantel im Hochsommer«, fügte Halders hinzu.
    »Der war offenbar für die Bühne kostümiert.«
    »Er weiß genau, wo sich die Kameras befinden«, stellte Winter fest und sah Bengtsson fragend an. »Oder hatte er nur Glück?«
    »Lassen Sie das Band noch mal laufen!«, bat Bengtsson.
    Der Filmausschnitt lief noch einmal. Winter war erregt, frustriert. Da hatten sie vielleicht den Mörder. Er hielt sich tatsächlich in der Stadt auf, jedenfalls hatte er das vor kurzem. Er stand dort im Bild, ging im Bild mit den ruckartigen Bewegungen infolge der digitalen Auflösung.
    Winter hätte die Hand ausstrecken und ihn berühren können.
    Und der Mörder wusste, dass Winter es tun könnte, dass Winter dies hier sehen würde. Warum machte er das? Es war trotz allem riskant. Der Mörder als Selbstdarsteller, geschützt durch seine Kleidung und Körperhaltung, dennoch war die Kleidung deutlich sichtbar, die Körperhaltung. Der Körper verriet immer etwas über seinen Besitzer. Die Größe, die Art zu gehen, die einzelnen Körperteile zu bewegen, selbst wenn der Ablauf durch die Technik verfremdet wurde.
    Der Rücken streckte die Hand aus. Winter sah die Bewegung von hinten. Der Rücken streckte … die Hand mit … der Hand aus.
    »Er meidet die Kameras von vorn«,

Weitere Kostenlose Bücher