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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Hauptquartier. Halders nannte es Hauptquartier, weil das Dezernat oben im vorletzten Stock untergebracht war. »Aber es ist ihr egal. Das ist irgendwie ganz schön verschlagen … arrogant. Sie entsch…«
    »Warum sollte sie sich um irgendwas kümmern?«, unterbrach ihn Halders. »Sie hat nichts Strafbares getan. Hat bloß den Koffer abgestellt. Paula Ney würde ihn dann abholen.«
    »Glaubst du das wirklich?«
    »Nein.«
    »Sie hat den Koffer von jemand anders eingeschlossen«, fuhr Ringmar fort. »Es könnte ihr eigener sein, aber gehen wir einmal davon aus, dass er jemand anders gehörte, da sie ihn nicht selber wieder abgeholt hat. Warum? Warum einen Koffer dahin schleppen? Er wirkte ziemlich schwer, als sie ihn anhob. Geschah das im Auftrag von Paula Ney? Oder war der Koffer gestohlen? Warum ihn im Hauptbahnhof aufbewahren? Warum mehrere Tage verstreichen lassen, ehe man ihn wieder abholt?« Er deutete in Richtung Bahngleise. »Ehe Der Rücken ihn abholt?«
    »Einen Punkt gibt es ja, der darauf hindeutet, dass diese Frau irgendwie mit dem Mord an Paula Ney zu tun hat«, sagte Winter.
    »Welchen?«, fragte Halders.
    »Sie hat sich nicht gemeldet«, sagte Winter.
    Sie blieben sitzen. Konnten sich nicht von der Stelle rühren. Wir können auch hier nachdenken, ging es Winter durch den Kopf, dieser Ort hat etwas. Wenn wir ihn verlassen, stirbt die Phantasie. Und wir haben sowieso zu viele Leute, die nur gut zu Fuß sind. Hier ist die Basis der Denker. Hier ist das Hauptquartier. Mir gefällt mein Büro nicht. Dahin geh ich nie wieder zurück.
    Das Café hatte keine Fenster direkt zu den Gleisen. Durch eine Art Arkade, die im Zuge der Umbauarbeiten neu entstanden war, konnte man hinaussehen. Die Sonne war verschwunden. Überall im Bahnhof brannte künstliches Licht. Das fiel einem erst auf, wenn die Sonne sich hinter den Wolken verbarg oder unterging. Die Säulen warfen schwache Schatten auf die weißen Wände. Weiß wie Gips.
    »Wir werden sie finden«, sagte Halders.
    »Wenn sie noch lebt«, ergänzte Ringmar.
    »Warum sollte sie nicht mehr leben?«, fragte Halders.
    Ringmar zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, wenn Paula Ney tot war, konnten auch andere Menschen tot sein.
    »Wenn sie lebt – und nicht gefangen gehalten wird – muss sie etwas damit zu tun haben«, sagte Winter.
    »Wie unser Freund im langen Mantel.« Ringmar nickte.
    »Mein Freund ist er nicht«, protestierte Halders. »Ich kann den Kerl nicht leiden, egal, was er gemacht hat oder nicht.«
    »Er hat eine Hand gemacht«, sagte Winter.
    »Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, warum«, meinte Halders.
    »Nicht abwarten, Fredrik«, sagte Ringmar. »Gleich anfangen.«
    Aneta Djanali rief an, als Winter in sein Auto stieg. Der nördliche Bahnhofsvorbau war eine Wand aus Metall und Glas, auf die das Sonnenlicht Reflexe zauberte. Dort gab es keine Arkaden, nur Schwingtüren, die im Takt der Reisenden vor- und zurückschwangen, die hinein- und hinausgingen. Busse fuhren vor und wieder ab. Auf halbem Weg zu seinem Auto wurde Winter klar, dass er seit vielen Jahren nicht mehr mit dem Bus gefahren war, nicht mal zu den jährlichen Treffen der Kommissare in irgendeinem Küstenkaff in Bohuslän. Er fuhr stets selber.
    »Die in dem Hotel sind wie Muscheln«, sagte Aneta Djanali.
    »Die glauben bestimmt, sie hätten Grund dazu.«
    »Meinst du wegen des Verdachts auf Prostitution? Aber hier handelt es sich doch um die Ermittlung in einem Mordfall.«
    »Spielt keine Rolle«, sagte Winter.
    »Die haben ja nun wirklich keinen Ruf zu verlieren.«
    »Ein Hotel schützt seine Gäste«, sagte Winter. »Die Freier und Gott weiß wen noch.«
    »Ich habe nicht die Namen aller Gäste bekommen«, sagte Aneta Djanali. »Das ist jedenfalls mein Eindruck. War nicht leicht.«
    »Ich verstehe.«
    In Winters Handy knarzte es, als hätten sie die Frequenz gewechselt.
    »Das scheint dich nicht gerade zu erstaunen«, stellte Aneta Djanali fest.
    »Wieso?«
    »Na, was für Gäste in den Betten des ›Revy‹ übernachten. Oder früher übernachtet haben.«
    »Nein«, antwortete Winter, »nicht mehr.«
    »Übrigens wollen die anscheinend dichtmachen.«
    »Ach?«
    »Das hat der Portier gesagt, mit dem ich gesprochen habe. Näheres wusste er nicht. Aber irgendwas ist da im Busch.«
    Es gab Zeiten, da konnte Winter über alles staunen. Da war er erstaunt, wütend, erschrocken. Es gab so viel, was er nicht wusste. Sein allmählich wachsendes Wissen half ihm bei der Arbeit.

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