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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Regelmäßigkeit gegen den Fensterrahmen schlug. Es klang wie ein Ruf.
    Er richtete sich auf und stellte die Füße auf seine Bettdecke, die auf den Boden gerutscht war. Er sah auf die Uhr. Als er ein paar Stunden zuvor das Licht ausgemacht hatte, war es eine warme und feuchte Nacht gewesen, eine junge Nacht. Er hatte nicht einschlafen können und die dünne Decke aus dem Bettbezug gezogen. Jetzt war das Wetter umgeschlagen, der Wind kam von Norden. Von tropischen zu gemäßigten oder vielmehr nördlichen Temperaturen. Ihn fröstelte, er zog die Leinenhose an, ging im Dunkeln in die Küche, nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und trank. Vor dem Fenster zum Hof war immer noch schwarze Nacht. Eben noch war es um diese Zeit fast taghell gewesen, vor nur wenigen Wochen. Es war jedes Mal dieselbe Überraschung. Die Dunkelheit konnte nicht warten. Sie ließ sich nicht aufhalten. Noch wenige Monate, dann würde es schon um drei Uhr nachmittags Nacht sein. Willkommen im Norden.
    Er stellte die Flasche ab. Der Name, den er im Traum gehört hatte, fiel ihm ein. Ellen. Eine Frauenstimme hatte ihn in den Wind gerufen. Ellen. Er hatte Paula gesehen und Ellens Namen gehört. Paulas Gesicht hatte er nicht gesehen, aber sie musste es gewesen sein. Sie hatte ihre Hand verborgen.
    Sie gehörten zusammen. Ellen und Paula.
    Nein.
    Ihm fiel ein, was er vor kurzem zu Bertil Ringmar gesagt hatte, als sie über den Fall Ellen Börge gesprochen hatten: Da war was. Etwas, das ich hätte tun können. Etwas, das ich hätte sehen müssen. Es war da, vor meinen Augen. Ich hätte es sehen müssen.
    Was hätte er sehen müssen? Hing es mit dem Fall Paula Ney zusammen? Warum dachte er ausgerechnet an Ellen Börge, als er sich mit Paula Neys Tod befassen musste?
    Es war das Zimmer.
    Das Hotel, dachte er. Das »Revy«, das haben sie gemeinsam. Und das Zimmer und das Alter. Neunundzwanzig Jahre.
    Aber ich bin nicht mehr derselbe.
    Winter löste sich von der Spüle, er hatte ein Gefühl, als wäre er daran festgeklebt.
    Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa. Es war immer noch dunkel.
    Wo ist Ellen?
    Hat sie eine Sonnenbrille getragen?
    Nein, jetzt hör auf, Winter.
    Was hatte Paulas Hand zu bedeuten? Zu welchem Zweck diente sie? Zeigten die Finger auf etwas? Würden sie es begreifen? In die richtige Richtung gehen?
    Nein.
    Ja.
    Nein.

6
    Winter betrat das Gebäude und nickte dem Wachhabenden hinter dem Glas zu. Der Junge lächelte, als teilten sie einen geheimen Spaß.
    Winter betrachtete die Fahrstuhltüren. Sie glänzten matt und warfen sein Spiegelbild wie eine Silhouette zurück. Man könnte wer weiß wer sein.
    Im Fahrstuhl dachte er, dass dies wie eine erste Reise war.
    Die Türen öffneten sich, und er verließ den Fahrstuhl. Durchs Fenster sah er den Rasen vom alten Ullevi-Stadion. Er war grün wie ein Gemälde. Winter durchquerte die Halle und gab die Kombination zu dem verlockenden Korridor dahinter ein. Es war das erste Mal. Er fühlte, es war ein besonderer Tag. Die Tür öffnete sich nicht. Er gab die Kombination noch einmal ein, aber nichts geschah. Die Zahlen stimmten, falls sie nicht am Vortag ausgetauscht worden waren. Er tippte sie ein drittes Mal ein.
    »Du scheinst dich verirrt zu haben, Junge.«
    Er drehte sich um.
    Der Mann lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln. Winter kannte ihn nicht. Der Mann war in Zivil wie Winter. Aber was man unter »zivil« verstand, konnte eine große Spannbreite abdecken. Wenn Winter aussah wie ein Snob, sah der andere definitiv verlottert aus. Winter kannte die meisten Gesichter im Präsidium, aber dieses nicht. Es war kein angenehmes Gesicht. Es konnte einen erschrecken, und zwar nicht immer auf die richtige Art. Das Kinn war viereckig und die Ohren waren kleiner, als sie sein sollten. Die Augen hatten einen besonderen Glanz, und Winter hatte den Verdacht, dass sie etwas zu oft glänzten. Das Lächeln war nicht beruhigend. Dieses Gesicht gehörte auf die andere Seite des Gesetzes, auf die Seite eins, zwei oder drei der Verbrecherkartei. Es gehörte einem neuen Klienten.
    Oder einem Verbrechensbekämpfer.
    »Bitte Ihren Ausweis!« Der Verlotterte mit dem eigentümlichen Lächeln streckte eine Hand aus.
    »Hören Sie mal …«
    »Ihren Ausweis! Wir können nicht Krethi und Plethi im Fahndungsdezernat frei rumlaufen lassen!«
    »Ich arbeite hier!« Winter wich einen Schritt zurück, als der aggressive Kollege einen Schritt vorwärts machte. Es war ein Kollege. Winter

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