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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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hieß Bertil Ringmar, war Kriminalinspektor beim Dezernat und reif für die Beförderung zum Kommissar, überreif, aber es war schwer, sich ständig in Birgerssons Schatten zu befinden, schwer, sich daraus zu befreien. Winter hatte im vergangenen Jahr hin und wieder ein paar Worte mit Ringmar gewechselt. Er hielt ihn für einen anständigen Kerl. Ringmar war ungefähr zehn Jahre älter als er. Winter hatte sich darauf gefreut, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen, von ihm zu lernen.
    Jetzt hatte er es sich vielleicht für alle Zeiten versaut.
    Gleichzeitig wollte er es am liebsten wieder tun. Es sich versauen. Halders eine verpassen. Und mit Befriedigung dieses verdammte Lächeln für einen Moment von seinem Gesicht verschwinden sehen. Vielleicht war er noch nicht reif für den Job.
    »Nicht nur beim Chef«, sagte Birgersson. »Dann wäre das ja noch glimpflich abgelaufen. Ich rede hier von Krankenhaus, Notaufnahme. Und dann natürlich die Zeitungen, Fernsehen, Amtsgericht, Oberlandesgericht, die Regierung und die ganze verdammte UNO!«
    In jeder Ecke des Cafés standen riesige Topfpflanzen. Wie in einem Dschungel, wie eine Erinnerung daran, dass man mal eine lange Reise machen könnte. Vielleicht würde Winter eher, als ihm lieb war, alle Zeit der Welt haben. Alles hing davon ab, als wie reif er sich in nächster Zukunft erweisen würde.
    Sie hatten das Präsidium so schnell wie möglich verlassen. Niemand hatte Lust verspürt, ein paar Meter von Birgerssons Büro entfernt Kaffee zu trinken.
    Halders verzog beim Hinsetzen das Gesicht.
    »Tut es weh?«, fragte Winter.
    »Was soll wehtun?«, fragte Halders zurück.
    »Ich freu mich wirklich auf die Zusammenarbeit mit dir«, sagte Winter.
    »Freu dich nicht zu früh«, sagte Halders. »Der Alte hat es sich auch schon mal anders überlegt.«
    Der Alte hatte die Zigarette aufgeraucht und die beiden Haudegen ohne Vorwarnung rausgeschmissen. Ringmar hatte er gleich mit rausgeschickt.
    »Außerdem glaub ich nicht, dass ich während der Arbeit Zeit habe, den Babysitter zu spielen«, fuhr Halders fort.
    »Ich will nicht spielen«, sagte Winter.
    »Was willst du denn?« Halders lächelte sein Lächeln.
    Das muss weg, dachte Winter. Und wenn es Jahre dauert, das Lächeln muss weg. Für immer. Er ist in der stärkeren Position. Wenn ich ihm anbiete, mir einen Schlag in den Magen zu verpassen, sind wir dann quitt?
    Ringmar räusperte sich. »Was Birgersson auf seine … äh … subtile Art versucht hat zu sagen, ist, dass wir uns hier weder auf dem Schulhof noch auf dem Spielplatz befinden.«
    »Was bedeutet subtil?«, fragte Halders.
    »Einfühlsam«, sagte Winter.
    »Ich wusste, dass du es weißt.« Halders lächelte.
    »So einfühlsam wie du«, sagte Winter.
    Halders’ Lächeln blieb.
    »Gibt’s hier vielleicht jemanden, der verstanden hat, was ich eben gesagt habe?«, fragte Ringmar.
    Der August war grüner gewesen als sonst, weil es in jenem Sommer mehr geregnet hatte als sonst. Es regnete noch immer, und es regnete auch jetzt, als Winter vor dem Hotel »Revy« stand. Es war vier Uhr am Nachmittag, und das Licht war erloschen, war gleichsam aufgesaugt worden vom Himmel, der jetzt grau wie ein früher Winterhimmel im September über der Stadt lag.
    Er schaute zum dritten Stock hinauf, zu der Fensterreihe auf der Straßenseite, den drei Fenstern. Das in der Mitte gehörte zum Zimmer Nummer 10. Niemand war mitten in der Nacht aus diesem Fenster geklettert, so viel wusste er.
    Nicht Ellen Börge. Niemand sonst.
    In der Lobby herrschte die gleiche Dunkelheit wie draußen. Sie wurde noch verstärkt durch die Topfpflanzen. Winter dachte an das Café, in dem Ringmar und Halders und er vor einer Woche gesessen hatten. Unwillkürlich dachte er an südliche Gefilde. In der Lobby hing ein fremder Geruch.
    Er war allein. Von irgendwoher kam Musik, vielleicht von einem Radio. Die Musik sagte ihm nichts. Es klang, als würde ihr niemand zuhören. Die Musik verstummte, und Winter hörte den Regen auf die Markise über dem Eingang trommeln. Die Markise hatte Löcher, und er hatte draußen auf der Treppe einen Regentropfen auf die Wange abbekommen.
    Das Hotel wirkte geschlossen, verlassen. Aber ein Hotel war nie geschlossen, vor allen Dingen nicht dieses.
    Er ging zum Tresen und sah sich um. Die Musik hatte wieder eingesetzt, ein leises Summen. Eher wie ein Staubsauger. Das Geräusch schien von oben zu kommen. Vielleicht war gerade eine Putzfrau im Zimmer Nummer 10. Winter war dort gewesen,

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